Kirche Salzburg - © Foto: Eweht

"Zum kostbaren Blut": Gottes Seilbahnstation in Parsch

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Die Salzburger Kirche "Zum kostbaren Blut" ist ein opulentes, mittlerweile fast vergessenes Kapitel österreichischer Kunstgeschichte der Nachkriegszeit. Im August wird sie 60 Jahre alt, Anfang Juli wird gefeiert.

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Die Salzburger Kirche "Zum kostbaren Blut" ist ein opulentes, mittlerweile fast vergessenes Kapitel österreichischer Kunstgeschichte der Nachkriegszeit. Im August wird sie 60 Jahre alt, Anfang Juli wird gefeiert.

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Im August 1956, ein Jahr nach dem Staatsvertrag, wurde sie im Osten der Stadt Salzburg eingeweiht: Die Kirche "Zum kostbaren Blut" in Parsch ist einer der bemerkenswertesten Sakralbauten Österreichs und zugleich eine der schönsten Architekturen. Mit ihrem keilartig in den Himmel ragenden Dach ist sie bis heute effektvoll modern, manche sahen in ihr einen Vorboten der Kirche unserer Zeit.

Aber Parsch war auch umstritten. Tatsächlich an ein Wunder grenzt der Umstand, dass die junge "arbeitsgruppe 4" den Bauauftrag bekam. Zwei ihrer Mitglieder waren bei der Grundsteinlegung im Jahr 1953 erst knapp über zwanzig. Friedrich Kurrent, der jüngste, war Jahrgang 1931, Wilhelm Holzbauer ein Jahr älter, Johannes Spalt (1920-2010), der Dritte im Bund, war Kriegsheimkehrer und zehn Jahre älter. Parsch wurde aber auch berühmt, weil sich an der künstlerischen Ausgestaltung Prominente wie Fritz Wotruba und Oskar Kokoschka beteiligten. Kurz: die Kirche "Zum kostbaren Blut" ist ein opulentes, mittlerweile fast vergessenes Kapitel österreichischer Kunstgeschichte der Nachkriegszeit.

Vom Stall zur Kirche

Am Anfang des Projektes stand Clemens Holzmeister. Als Architekt (auch von Kirchen) schon in der Ersten Republik renommiert und während des Zweiten Weltkriegs maßgeblich am Bau des Regierungsviertels der türkischen Hauptstadt Ankara beteiligt, konzipierte er Anfang der Fünfziger Jahre in Salzburg das Große Festspielhaus. Der ursprünglich an ihn ergangene Auftrag war ihm wohl zu gering. Also übergab er den Umbau des so genannten Weichselbaumerhofes in eine Kirche an seine ehemaligen Schüler. Kurrent, Holzbauer und Spalt hatten bei ihm am Wiener Schillerplatz ihr Diplom gemacht. Das noch größere Glück der Jungarchitekten war aber, wie die Beteiligten noch heute betonen, Pfarrvikar Wilhelm Eisenbarth, der sich nicht nur als visionärer Bauherr herausstellte. Der Ordensmann wusste sich mit den ambitiösen Jungen einig ("Machen wir gleich was Großes!"), und er verteidigte deren Arbeit in der Folge auch gegen alle Kritik.

Die Umsiedelung von "volksdeutschen" Kriegsflüchtlingen, die damals Teile des Gebäudes bewohnten, war noch das geringste Problem -sie wurden in neue Wohnungen umgesiedelt. Der Kirchenneubau war rasch in aller Munde und bald wurde über die "Seilbahnstation" gespottet. Schließlich hatte sie nicht einmal einen Kirchturm! Das markante, über dem Altarraum steil aufragende Pultdach mit dem nach außen offenen Dachstuhl diente gleichzeitig als Träger der Kirchenglocken. Wie man in der Pfarrchronik nachlesen kann, war einem frommen Spender von damals vor allem die moderne Kunst an der Kirche ein Dorn im Auge: "Anbei 300 Schilling. Bestimmt für Kirchenglocken, aber ja nicht für Scheußlichkeiten à la Wotruba, die wohl keine einzige Seele zum Heiland führen wird." Und ideologische Gegner ließen in der vermeintlich weltoffenen Festspielstadt auch nicht auf sich warten. Der Chefredakteur des Salzburger Volksblattes Menzel forderte unumwunden: "Weg mit den Existenzialisten, Expressionisten und Surrealisten aus der Kirche!" Auch Kirchenobere waren verschreckt.

Neues im Dialog mit dem Alten

Betritt man die Kirche heute, fragt man sich, was überhaupt der Stein des Anstoßes war. Friedrich Kurrent meint, es habe zwei Hauptgründe gegeben. "Man war sowieso gegen die moderne Kunst!" Und, vielleicht noch wichtiger -die Freistellung des Altares und die daher rührende Position des Priesters, der von beiden Seiten von der Gemeinde umgeben wird.

Die jungen Architekten hatten gleichsam eine liturgische Erneuerung vollführt, die amtskirchlich erst fast ein Jahrzehnt später mit der Einführung des Volksaltars im Zweiten Vatikanischen Konzil zur beschlossenen Sache wurde. Für die "arbeitsgruppe 4", deren Mitglieder allesamt ihre erste Architekturausbildung an der Salzburger Gewerbeschule bekommen hatten, stand beim zentralen, lichtdurchfluteten Glasdach allerdings auch ein ästhetisch-architektonisches Motiv lokaler Provenienz Pate. "Der Kontrast des hellen Altarraumes zum niederen, alten Stallgewölbe besitzt eine architektonische Dialektik, die (...) in Salzburg bis zur Franziskanerkirche zurückreicht." Der Hinweis stammt vom Architekturhistoriker Friedrich Achleitner, der die Kirche in Parsch bis heute für einen "Geniestreich" hält: "Hier wurde ein architektonischer Weg beschritten, der das Neue im Dialog mit dem Alten formuliert und beides gewissermaßen im Gegensatz vereint."

Pfarrer Eisenbarth gelang es zwar immer wieder, Kritik von seiner Kirche abzuwehren - mit Worten, die zur Verteidigung moderner Sakralbauten in jenen Jahren öfter fielen und bisweilen bis heute vorgebracht werden: "Der liebe Gott wohnt auch in Zement und Glas." Der Salzburger Erzbischof Rohracher, der an der Grundsteinlegung noch teilgenommen hatte, erschien zur Einweihung der Kirche "Zum kostbaren Blut" trotzdem nicht. Offizielle Begründung des früheren Fürsterzbischofs: "Erkrankung".

Ganz wesentlich zur kulturgeschichtlichen Bedeutung der Parscher Kirche trugen die bildenden Künstler bei. Gemeinsam mit dem Maler Josef Mikl unternahm die Gruppe eine Reise zu den modernen Kirchen Frankreichs. Mikls wuchtige, von Gelb und Orange dominierten Glasfenster wurden in die ehemaligen Scheunentore des Hofes eingesetzt. Die blaue, rautenförmige Andeutung einer Figur in horizontaler Lage war als "Grablegung", in vertikaler als "Auferstehung" zu lesen. Von Mikl und seiner Frau Franziska stammt auch das Messgewand des Priesters. Eher unauffällig blieb das über dem Altar freihängende Kreuz des Halleiner Bildhauers Jakob Adelhart, dem die immer selbstbewusster gewordenen Jungarchitekten die genauen Maße vorschrieben.

Spirituelles Gesamtkunstwerk

Ihrem Hang zum spirituellen Gesamtkunstwerk entsprach vielleicht am meisten der Bildhauer Fritz Wotruba. Der Wunsch des Ordens-Provinzials nach einer skulpturalen "Schwurhand" am Giebel über dem Eingang wurde mit der Begründung abgelehnt: "Ich bin zwar Atheist - aber das Wesentliche ist der leidende Mensch." Wotruba schuf für Parsch seine erste Christusplastik als Betonrelief.

Und last but not least war da noch Oskar Kokoschka, den Holzbauer und Kurrent seit ihrer Teilnahme an der Salzburger Sommerakademie kannten. Als sie ihm ihren Rohbau in Parsch samt Mauerdurchbruch für das Portal zeigten, versprach er ihnen kurzerhand: "Dafür zeichne ich euch etwas!" Die Entwürfe für "Sündenfall" und "Taufe", die in die Tore aus Beton noch einzuschneiden waren, lieferte er fristgerecht, allein bis zur Einweihung am 4. August 1956 waren sie nicht fertig. Der sie ausführende Bildhauer meinte entschuldigend: "Da ist der Teufel drüber gelaufen."

Immerhin, so erinnert sich Wilhelm Holzbauer, der selbst an diesem Tag nicht in Parsch war (er hatte zwei Wochen vorher, am 16. Juni 1956, den Untergang der Andrea Doria überlebt), soll sich Erzbischof Rohracher später bei Pfarrer Eisenbarth für seine Abwesenheit bei der Einweihung entschuldig und ihm für die moderne Kirche gratuliert haben.

Und was verdienten die Architekten damals? Friedrich Kurrent: "Das war über die Jahre lächerlich, aber darum ging es uns nicht!"

Die "Seilbahnstation Gottes"

Beitrag von Erich Klein in: Diagonal, 2. Juli 2016,17.05 Uhr, Ö1

60 Jahre Pfarre Parsch

2. und 3. Juli 2016

www.pfarreparsch.at

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