Gralskunde in der Puppenküche

Werbung
Werbung
Werbung

Alles ist möglich und unmöglich zugleich", selbst die Schlussnotiz zu Tankred Dorsts märchenhaftem Bühnenstoff "Parzival" gibt Rätsel auf. Ist es die Suche nach Glück, nach Ruhm oder ein Selbstfindungstrip auf den der Wortkünstler und Theatermensch Dorst den "Naturburschen" Parzival durch die Welt schickt? Die Premiere am Akademietheater unter der Regie von David Bösch lässt die Antwort offen, entstanden ist eine leichtfüßige Traumreise mit Musik (Bernhard Moshammer singt Textpassagen live von der Galerie) und handgezeichneten Videoprojektionen.

Aus seinem Welterfolg "Merlin oder das wüste Land", nach der Vorlage des keltischen Artusstoffes und der religiösen Gralsthematik, entwarf Tankred Dorst gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin Ursula Ehler in den 1970erund 1980er-Jahren zahlreiche weitere Erzählungen, Film- und Theaterprojekte, unter anderem auch die Geschichte des Waldmenschen "Parzival", der auszog ein Ritter zu werden.

Bei Bösch setzt gleich zu Beginn der Teufel die Welt in Flammen, danach zwitschern auf der ganz in grau gehaltenen, leicht schrägen Bühne (Patrick Bannwart, der auch die punkig-trashigen Kostüme kreierte) wieder die Vögel im Wald. Dort lebt der kleine Parzival mit seiner Mutter Herzeloide (Regina Fritsch). Trotzig und leidenschaftlich gibt Lucas Gregorowicz einen kindlichen Parzival in Turnschuhen und schmutzigem T-Shirt. Nachdem er mit einem Ast bewaffnet seinen Weg in die Zivilisation antritt, trifft er auf Sir Gawain (Dietmar König), der ihm ritterliches Benehmen beibringt.

Parzivals blutrünstige Reise gilt der Suche nach Gott, dem Gral und ein wenig Glück.

Coming of Age Drama

Seine Wegbegleiter sind die Ritter der Tafelrunde, Fabelwesen und einige absurde Figuren, wie der nackte Mann (Oliver Stokowski), ein Einsiedler mit Haus am Rücken und Teegeschirr in Miniaturgröße, von dem Parzival Mitgefühl lernt. Die fabel-und figurenbezogene Komposition ist die große Stärke des Abends, etwa wenn Daniel Jesch als clownesker Tänzer Konfetti streut, während Parzival wild um sich schlägt oder die Verwandlungsmeisterin Fritsch, die nach ihrer Rolle als verhärmte Herzeloide, die bezaubernde Blanchefleur gibt.

Wie sollen wir leben? Eine Frage, die Dorst in all seiner Widersprüchlichkeit und in all seinen Extremen, von religiösem Fanatismus bis hin zur lähmenden Gleichgültigkeit, aufzeigt. Bösch konzentriert sich auf die Entwicklungsgeschichte Parzivals und macht daraus ein liebenswertes Coming of Age-Drama. Dort, wo Dorst auf die Kraft der Sprache vertraut, setzt Bösch auf die Kraft der Bilder, am eindringlichsten sind denn auch jene Momente, in denen beide - Visualisierung und Kommentierung - ineinandergreifen.

Parzival - Akademietheater 1., 6., 10., 19., 28. Mai

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung