"Gratis"-Medien und ihre Qualität

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Bei vielen Printmedienmachern gilt das Internet als Hort der bösen Gratis-Unkultur. "Wir hätten pro Aufruf einen Cent verlangen sollen", verlegt manch Verleger sein strategisches Verzweifeln in vergebliche Vergangenheitskorrektur. Diese Weinerlichkeit der Online-Diskussion ignoriert die analogen Triebfedern des Zahl-Nix-Phänomens.

Erst Metro in Stockholm, dann der U-Bahn-Express in Wien. In Tirol, Salzburg, Ober- und Niederösterreich sowie im Burgenland die Bezirksblätter, in Kärnten und der Steiermark die Woche. Die zumindest für den Leser kostenlosen Tages- und Wochenzeitungen sind lokal, regional, national und global die Trendsetter der Printmedien.

Geiz ist geil. Also geriet in der Schweiz das neue Öffi-Medium 20 Minuten im Nu zum reichweitenstärksten Tagblatt. Für Österreich verbot die WAZ ihrem Krone-Partner Hans Dichand die Fortführung des U-Bahn-Projekts. Also macht jetzt Schwiegertochter Eva Heute.

In Deutschland versucht der Axel Springer Verlag im Sinne seiner Kaufzeitung Bild jede Gratis-Initiative im Keim zu ersticken. Immerhin geht es um den Lebensnerv des weltgrößten Bezahl-Blattes außerhalb Japans. Solch Verteidigung eines gefährdeten Geschäftsmodells ist wirtschaftlich nachvollziehbar, wird aber unverständlich, wenn sie sich hinter journalistischen Qualitätsprinzipien versteckt.

"Gratis" ist keine Inhaltsangabe, sondern ein Vertriebsmodell. Was in Deutschland ungestraft Klaubeutel heißt, firmiert in Österreich als Verkaufsstelle. Auch abseits des Boulevards: 2007 wurde ein Viertel der verbreiteten Auflage des Standard verschenkt.

"Gratis" ist nicht nur das Internet-Prinzip, es wird zum beherrschenden Thema für alle Medien. Ihr aktueller Wettbewerb dreht sich um die Frage, ob dieses Geschäftsmodell auch inhaltliche Qualität langfristig finanzieren kann. Die Antwort fehlt noch.

Der Autor ist Medienberater und Politikanalyst

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