"Grenzlandtrauma"

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Steirische Slowenen werden nach wie vor nicht als Volksgruppe anerkannt. Die Stimmung ist aufgeheizt, Drohungen und Ängste beherrschen die Diskussion.

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Steirische Slowenen werden nach wie vor nicht als Volksgruppe anerkannt. Die Stimmung ist aufgeheizt, Drohungen und Ängste beherrschen die Diskussion.

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Wenn Sie noch ein Wort sagen, dann watschen wir Sie aus dem Saal hinaus", wurde dem steirischen LiF-Politiker Christian Brünner angedroht, als er bei einer Diskussionsrunde im südlichen Steiermark versuchte, eine Lanze für die steirischen Slowenen zu brechen. Dabei wollte der gelernte Jurist nur die Bedeutung des Artikels 7 des Österreichischen Staatsvertrags darlegen, in dem die Rechte der slowenischen und kroatischen Minderheiten festgelegt sind.

"Der Artikel 7 differenziert nicht", stellt Brünner im Gespräch mit der furche klar. Das sich dieses Faktum in der aufgeheizten Stimmung rund um die Frage der Anerkennung der steirischen Slowenen schwer vermitteln lässt, musste der Universitätsprofessor fast am eigenen Leib erfahren. Jahrzehntelange Ressentiments und diese noch parteipolitisch überhöht, sind laut Brünner der Grund für das seit Jahren ungelöste Problem.

Nach betreffendem Artikel im Staatsvertrag ist auch der um die Rechte der steirischen Slowenen bemühte "Artikel-VII-Kulturverein" benannt. In Laafeld bei Bad Radkersburg besitzt der Verein das sogenannte "Pavel-Haus", ein Kulturzentrum für die in der Steiermark beheimatete slowenische Minderheit. Aber "außer dem Kulturhaus haben wir nichts", klagt Branko Lenart, der Obmann des Kulturvereins und schränkt seine Forderungen aber gleich schon wieder ein. Keine Rede von zweisprachigen Ortstafeln oder Slowenisch als Amtssprache. Mit dem bereits als Freifach angebotenen slowenischen Sprachunterricht ist Lenart ebenfalls zufrieden, wobei er kritisch anmerkt, dass man immer wieder der Willkür einzelner Schuldirektoren ausgeliefert ist. Das primäre Anliegen des Artikel-VII-Kulturvereins ist es, zumindestens einen Sitz und eine Stimme im slowenischen Volksgruppenbeirat zu haben, der im Bundeskanzleramt angesiedelt ist, und in dem die Anliegen der slowenischen Volksgruppe bislang nur von Vertretern der Kärntner Slowenen eingebracht werden.

Keine Bedrohung "Die Kärntner können uns nicht und wollen uns auch eigentlich gar nicht vertreten", meint Lenart, "Wir müssen für uns selber sprechen dürfen." Außerdem käme ein steirischer Slowene im Beirat einer De-facto-Anerkennung der Volksgruppe und gesicherten Geldmitteln gleich. Noch vor zwei Jahren schaute es zunächst ganz danach aus, als würde der Volksgruppenbeirat von 16 auf 18 Sitze vergrößert und ein Vertreter der steirischen Slowenen bestellt werden. Auf Antrag der ÖVP hin wurden die Beratungen im Nationalrat jedoch wieder vertagt und sind seither weder behandelt, noch im Interesse der steirischen Slowenen gelöst worden.

In der Bundespartei angefragt gibt man den Ball in die Steiermark weiter, wo der "Hinkefuß" der eine Lösung des Problems verzögert, zu finden sei. Für VP-Minderheitensprecher Christof Zernatto ist die Sache "sehr differenziert zu betrachten" und eine Anerkennung der steirischen Slowenen zuerst auf Länder- und Gemeindeebene zu diskutieren. "So haben wir es in Kärnten gemacht", zeigt der vormalige Kärntner Landeshauptmann gleich ein Beispiel, nach dem man sich in der Steiermark orientieren könnte.

Ein anderer Kärntner, der Minderheitensprecher der SPÖ Walter Posch, beurteilt die Lage ähnlich und fordert, das Einverständnis vor Ort zu suchen. Posch bedauert, dass bislang von steirischer Seite her die Bereitschaft für eine Lösung fehlte, und sieht - ohne konkrete Namen nennen zu wollen - die Verantwortlichen dafür nicht nur in der ÖVP, sondern auch in der steirischen SPÖ sitzen. Nachdem es im Burgenland gelungen ist, zweisprachige Ortstafeln aufzustellen, wäre für Posch die Zeit für eine großzügige Lösung auch in der Steiermark reif. Die Meinung, dass "Minderheiten keine Bedrohung für die Republik sind", sollte sich mittlerweile herumgesprochen haben, begründet er seine Forderung.

Beim Stichwort Bedrohung kann Christian Brünner nur lachen. "Da sind keine Scharfmacher auf der slowenischen Seite dabei", beteuert der LiF-Spitzenkandidat für die anstehende Landtagswahl: "Noch gibt es sie, die steirischen Slowenen, und dieses letzte Pflanzerl soll doch gegossen werden, anstatt es politisch zu diskriminieren." Besonders ärgert Brünner, dass Landeshauptmann Waltraud Klasnic sich als Landesmutter gibt, das Miteinander propagiert und mit der Bundesregierung die steirisch-slowenische Grenze erwandert, aber "anscheinend in der eigenen Partei nicht die Autorität hat, den steirischen Slowenen ihr Recht zu verschaffen."

Auf die Anfrage nach der Meinung von Waltraud Klasnic zur Causa steirische Slowenen kam aus dem Büro der Frau Landeshauptmann die Bestätigung, dass sich an der bisherigen Haltung der Landesregierung nichts geändert habe. Die steirische Landesregierung beharrt damit auf ihrer Argumentation, dass die Anerkennung der Slowenen als Volksgruppe gegeben, die Unterscheidung zwischen "Kärntner Slowenen" und "steirischen" aber nicht zweckmäßig sei.

Bei der Volkszählung 1991 haben 1697 Inländer Slowenisch als Umgangssprache angegeben. Branko Lenart vom Artikel-VII-Kulturverein schätzt die tatsächliche Zahl um einiges höher, weil sich erfahrungsgemäß nur ein Teil der Befragten zu einer Minderheit bekennt. Nachdem die Beschwerden des Artikel-VII-Vereins bei Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshof abgelehnt wurden, überlegt man von steirisch-slowenischer Seite sich an die Europäischen Instanzen zu wenden. Lenart setzt seine Hoffnung aber nach wie vor in die Politik. LiF, Grüne und Teile in der SPÖ unterstützen die Haltung des Kulturvereins bereits, und bei der ÖVP wünscht er sich einen Gesinnungswandel: "Ich bleibe Optimist, schlechter kann es nicht werden." Als Gründe für die bisherige Verweigerung des Volksgruppenstatus nennt Lenart "irrationale Ängste und ein Grenzlandtrauma".

Interessante Ergebnisse zum Thema lieferte erst kürzlich ein Forschungsprojekt der Wiener Ethnomusikologin Ursula Hemetek. Das vorhandene und nach wie vor gesungene Liedgut in der Grenzregion bestätigt nicht nur die Anwesenheit eines slowenischen Elements und stellt ein "Bausteinchen im Anerkennungsprozess der steirischen Slowenen" dar. Laut Hemetek könnte die Musik auch als Katalysator für das Gemeinsame fungieren. Die slowenischen Lieder werden nämlich in der Region quer durch alle Gruppierungen gerne gesungen, und sind ein Teil der Idendität im südsteirischen Raum, auf den sehr viel Wert gelegt wird.

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