Große alte Dame

19451960198020002020

Die Krimis von P.D. James sind getarnte Gesellschaftsromane.

19451960198020002020

Die Krimis von P.D. James sind getarnte Gesellschaftsromane.

Werbung
Werbung
Werbung

Intelligente Frauen hätten Millionen Feinde, nämlich alle dummen Männer, schrieb Marie von Ebner-Eschenbach. Die Heldin von P. D. James' neuem Roman ist eine Frau, und die Zahl ihrer Feinde und Neider kann sich sehen lassen. Die Liste der Feinde von Venetia Aldrige, der Staranwältin im traditionsreichen Londoner Juristenviertel Middle Temple, ist lang, und auf ihr finden sich nicht nur Männer. Da wären neben den Kollegen, die um ihre Karrieren zittern, der geschiedene Mann und der ehemalige Liebhaber, nicht zu vergessen die Bedienerin der Kanzlei und die Tochter der Juristin, die alle genug Gründe haben, die sie veranlassen könnten, Venetia um die Ecke zu bringen. Denn Venetia ist erfolgreich, doch der Erfolg ist ihr zuweilen wichtiger als die Wahrheit.

Das Ende von Venetia ist bereits auf der ersten Seite des Romans besiegelt. Als sie in ihrem Lieblingsverhandlungssaal die wichtigste Zeugin der Anklage im Fall "Die Krone gegen Ashe" ins Kreuzverhör nimmt, hat sie noch vier Wochen, vier Stunden und 50 Minuten zu leben. Den Mordverdächtigen Ash bekommt sie mit ihrer brillanten Rhetorik frei, wenige Wochen später präsentiert ihre Tochter diesen Mann als Schwiegersohn. Die Leserin und der Leser werden bereits im zweiten Satz des 550 Seiten dicken Romans auf verblüffend klare und schonungslose Weise darauf hingewiesen. Unter 500 Seiten gibt sich ja die große alte Dame des englischen Kriminalromans selten zufrieden. Anders als Venetia geht es ihr nicht um den schnellen, glänzenden Erfolg, sondern um die minutiös aufzuspürende Wahrheit, und die liegt eben nicht selten in der Vergangenheit. Dadurch werden P. D. James' Kriminalromane auch zu Gesellschaftsromanen, und zwar mit einer verworrenen Konstruktion, die sich nur langsam lichtet, und einem heimlichen Fluchtpunkt, der nicht selten ethischer Natur und daher von besonderer Bedeutung ist. Im Fall von "Was gut und böse ist" ist es die Frage der Gerechtigkeit, und wie sie in unserer Gesellschaft zu verwirklichen sei. Das Buch ist weit mehr als nur eine Sommerlektüre.

Was gut und böse ist Roman von P.D. James, Droemer Verlag, München 1999, 548 Seiten, geb., öS 291,-/e 21,14

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung