Große Gefühle, grandioser Jux

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Puccinis "Manon Lescaut" und Tom Johnsons "Riemannoper" in Linz.

Giacomo Puccinis genial in Gefühlen schwelgendes Musikdrama von der schönen, aber charakterschwachen Manon wurde nach 33 Jahren im Großen Haus des Linzer Landestheaters mit deutschen Übertiteln von Bettina Giese neu inszeniert und in die 1930er Jahre versetzt. Warum nicht? Nur schade, dass die Produktion nicht mehr Atmosphäre hat. So verdankte sich der Premierenjubel in erster Linie den Leistungen der Gesangssolisten, dem wie gewohnt exzellent einstudierten Chor und Extrachor (Georg Leopold) sowie dem Bruckner Orchester, das unter der sorgfältigen Leitung von Alexander DrÇcar Puccinis hinreißende Musik zum Blühen brachte, auch wenn sie mitunter zu laut geriet.

Brigitte Hahn setzte in der Titelpartie ihren, auch in den Spitzentönen glanzvollen Sopran je nach Stimmungslage kraftvoll oder verhalten ein, blieb dem verführerischen Luxusgeschöpf jedoch einen gewissen Hauch von Erotik schuldig. Kein Wunder bei der Stimmungsfeindlichkeit der Bühne (Kaspar Glarner), den wenig schmeichelnden Kostümen (Eva Maria Dessecker) und anderen kontraproduktiven Merkwürdigkeiten. Der Figur des armen Studenten Des Grieux lieh Pedro Verlázquez Díaz seinen voll tönenden, doch mitunter etwas angestrengt in die Höhe getriebenen Tenor, und auch er zeigte ein Defizit an Bühnenpräsenz. Franz Binders Geronte gefiel zwar stimmlich sehr gut, kehrte aber zu wenig den Machtmenschen heraus. Wo blieb da die Personenführung? Lauri Vasar (Lescaut) hingegen gelang es einmal mehr, seine Doppelbegabung als Sänger und Schauspieler erfolgreich einzusetzen. Das weitere Personal war rollendeckend besetzt.

Johnsons "Riemannoper"

Frei nach Nestroy ließe sich auch titeln "Einen Jux wollt' er sich machen", der amerikanische Komponist nämlich, als er, inspiriert von Pirandellos "Sechs Personen suchen einen Autor", 1988 diese minimalistische Oper über die Oper schrieb. Seit ihrer Uraufführung in Bremen wird sie nicht nur zu den meist aufgeführten, sondern auch zu den witzigsten und amüsantesten Werken der Neuen Musik gezählt. Wohl zu Recht, wie sich nach der Linzer Premiere im Eisenhand bestätigen lässt.

Das vergnügte Publikum kam aus dem Glucksen, Kichern und Lachen eindreiviertel Stunden lang nicht heraus, denn bei Johnson sind es vier Operndarsteller, die einen Komponisten gesucht und gefunden haben, um eine Oper zu machen. Es ist eine Oper "der kleinen Form", die aber an die vier Protagonisten höchste künstlerische Ansprüche stellt, da sie vorwiegend nur aus den Tönen "a" und "d", deren Oktaven, aus Rezitativen und Kadenzen besteht. Das Libretto besteht aus Zitaten, die aus dem Sachteil des musikwissenschaftlichen Standardlexikons von Hugo Riemann stammen - daher also "Riemannoper".

Und mit wieviel Spielfreude und gesanglicher Virtuosität, Humor und Selbstironie gehen sie ans Werk: die Primadonna assoluta (Ruth Bormann), die Primadonna (Christa Ratzenböck), der Tenor (Jörn Eichler), der Bassbariton (William Mason), musikalisch geleitet und am Klavier konform begleitet von Toshiaki Murakami. Im Verein mit Richard Stockinger (Bühne und Kostüme) lässt die köstlich-präzise Inszenierung von Brigitta Otto keinen Wunsch offen.

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