Großmufti ist kein "muslimischer Papst“

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Saudi-Arabiens Großmufti fordert, alle Kirchen auf der arabischen Halbinsel zu zerstören. Für Bischof Paul Hinder eine ernste Aussage. Dennoch warnt er vor einer Dramatisierung.

Seit 2005 ist der Schweizer Kapuzinermönch Paul Hinder als Bischof für die mehr als eine Million Christen - die meisten davon Gastarbeiter - im Süden der arabischen Halbinsel zuständig. Der bald 70-Jährige bewertet im FURCHE-Gespräch die schwierige Lage der Christen in der Region und erzählt, wie sie in dieser islamisch geprägten Welt Ostern feiern.

Die Furche: Herr Bischof, der Großmufti von Saudi-Arabien hat Mitte März in einer Fatwa gefordert, alle Kirchen auf der arabischen Halbinsel zu zerstören. Scheich Abdul Aziz Bin Abdullah ist die höchste islamische Rechtsautorität in Saudi-Arabien und gilt als einer der einflussreichsten Geistlichen der islamischen Welt.

Bischof Paul Hinder: Ich denke, es ist eine ernstzunehmende Aussage eines religiösen Führers, wie sie so nicht hätte gemacht werden dürfen. Aber man darf dem auch nicht den Stellenwert geben, als ob der "muslimische Papst“ eine Erklärung abgegeben hätte. Die Aussage wird sicher nicht von allen Muslimen geteilt und schon gar nicht von denen, die Regierungsverantwortung haben. Ich kann das illustrieren durch eine Aussage von einem hochgestellten Scheich in den Arabischen Emiraten. Dem musste ich die ganze Sache erst erklären, das heißt auch, dass es in den arabischen Medien bisher nicht breit gestreut wurde. Und nach meiner Erklärung meinte er: "Es gibt auch unter uns Verrückte.“ So kann man also festhalten, dass es sich hier nicht um eine repräsentative Stimme der Muslime handelt. Wieweit es aber jetzt Auswirkungen hat auf uns als Christen auf der arabischen Halbinsel, das kann ich nicht beurteilen. Aber um die Worte des Scheichs aufzunehmen: auch die Aussagen eines Verrückten können sehr unangenehme Auswirkungen haben. Ich denke aber, dass keine der Regierungen auf der arabischen Halbinsel - Saudi-Arabien mit inbegriffen - ein Interesse daran hat, die Sache eskalieren zu lassen. Und insofern ordne ich das ein als etwas, das ernst zu nehmen ist, aber das umso gefährlicher wird, je mehr man es aufbauscht.

Die Furche: Ihr Bischofssitz ist Abu Dhabi. In allen Ländern auf der arabischen Halbinsel sind die Christen eine oft winzige Minderheit. Macht so eine Aussage wie die angesprochene Fatwa nicht Angst?

Hinder: Ja natürlich. Als ich davon gehört habe, bin ich auch erschrocken! Aber weniger als derjenige, von dem ich das aus der Schweiz gehört habe. Ich nehme das schon ernst. Aber in der Region lebend ordne ich es trotz allem anders ein. Er hätte das einfach nicht sagen dürfen. Mittlerweile gibt es ja auch Stimmen aus der arabischen Welt, die diese Aussage verurteilen. Aber es kann trotzdem eine negative Auswirkung haben. Bisher wurde es aber von den arabischen Medien nicht wirklich aufgegriffen.

Die Furche: Außer ein paar wenigen im Jemen sind alle Katholiken auf der arabischen Halbinsel Gastarbeiter. In den Emiraten kommen ihre Gläubigen vor allem von den Philippinen, aus Indien und Europa. Wie steht es um die Kult- und Religionsfreiheit der Christen in diesem Teil der Welt?

Hinder: Auch ich habe eine Aufenthalts- und eine Arbeitsgenehmigung für die Emirate. Es ist bekannt, dass wir in den Vereinigten Arabischen Emiraten eine verhältnismäßig große Offenheit vorfinden und auch unseren Glauben in den uns zugeteilten Kirchen frei ausüben können. Ich werde also auch problemlos die Osterliturgie feiern können. Niemand wird uns daran hindern. Das ist ein großer Unterschied zur Situation in Saudi-Arabien, wo keine andere Religion außer dem Islam praktiziert werden darf. Wir müssen natürlich darauf achten, dass wir nicht provozieren. Uns geht es darum, dass wir unseren Glauben auf unsere Weise leben dürfen.

Die Furche: Sie fliegen ja gleich wieder zurück in die Emirate. Wie feiern die Katholiken in Abu Dhabi Ostern?

Hinder: Bei der Abendmahlsmesse am Gründonnerstag wird der Platz mit mehr als 10.000 Menschen gefüllt sein. Aber es ist ja ein Arbeitstag. Ich weiß nicht, wie viele es schaffen werden zu kommen. Der Freitag ist in muslimisch geprägten Ländern der freie Tag der Woche. Der Ansturm auf unsere Karfreitagsliturgie wird enorm sein. Wir beginnen bereits am Vormittag mit Gottesdiensten auf Malayalam für die Gläubigen aus dem indischen Bundesstaat Kerala und feiern dann noch mehrmals auf Englisch und Arabisch. Dazwischen wird immer der Kreuzweg gefeiert. Und die Kirche und der Platz davor werden immer übervoll sein! Die Osterliturgie feiern wir in der Nacht von Samstag auf Sonntag. Da erwarten wir - wie zu Weihnachten - wieder Zehntausende Gläubige.

Die Furche: Und am Ostersonntag?

Hinder: Der Sonntag ist für die meisten ein Arbeitstag. Aber auch an diesem Tag feiern wir unsere Messen. Vor allem an den Randzeiten. Bei uns ist das einfach. Ganz anders ist es in Saudi-Arabien. Da können die Christen mit Not am Freitag zusammenkommen. Und dann feiern sie den Karfreitag und den Ostersonntag in einer Liturgie. Ungewöhnlich, aber vielleicht kommt da in der Not etwas zusammen, was zusammen gehört und was man als Ganzes verstehen soll. Liturgisch problematisch, aber ein Ausdruck der schwierigen Verhältnisse unserer christlichen Brüder in Saudi-Arabien.

Die Furche: Der sogenannte "Arabische Frühling“ ist nun mehr als ein Jahr her. Wie haben Sie diese politischen Veränderungen auf der Arabischen Halbinsel erlebt?

Hinder: In den Emiraten war von diesem Revolutionsgeist nicht viel zu spüren. Vielleicht ist einer der Gründe, dass es den Menschen hier wirtschaftlich besser geht. Obwohl es sicher auch hier Menschen gibt, die sich Veränderungen wünschen. Schwierig nach wie vor ist die Situation im Jemen, der bereits seit Jahrzehnten in einem ständigen Klima des Konfliktes und des Umbruches lebt. Dort gibt es starke radikale Kräfte. Das bereitet mir Sorge. Allgemein, nicht nur für die Christen. Wenn der Konflikt eskaliert, ist es denkbar, dass religiöse Unterschiede dann an Bedeutung gewinnen und die Christen besonders gefährdet sein werden.

Die Furche: Wie wirkt sich der Arabische Frühling auf die Situation der Christen aus? Ist sie seither schlechter geworden?

Hinder: Ja, das gilt vor allem für die Länder, in denen es christliche Minderheiten aus vorislamischer Zeit gibt - etwa Ägypten und Syrien. Die Christen dort haben allen Grund, Angst zu haben. Es ist eine Tatsache, dass innerhalb dieses Umbruchs die fundamentalistischen muslimischen Kräfte besser organisiert sind und sich in cleverer Art und Weise einen großes Stück des Kuchens gesichert haben. Und das bereitet den Christen mit Recht Sorge. Wie weit es vielleicht indirekt eine Retourkutsche ist, dass die Christen sich in der Vergangenheit an die auslaufenden Regimes zu eng angelehnt haben, das ist eine andere Frage. Alle, die in diesen Ländern als Minderheit leben, kennen und machen diese Erfahrung des Abwägens. Es ist immer eine Frage der Klugheit und des Ermessens: wie viel Nähe müssen wir uns leisten, wie viel Distanz können wir uns leisten. Besonders wenn es zu einem Wechsel kommt, ist das Verhalten in der Vergangenheit entscheidend. Da haben die Christen in Syrien gerade ein großes Problem. Um es krass auszudrücken: Man kann zu jemandem freundlich sein, aber man muss nicht mit ihm ins Bett steigen. Das gilt auch im Umgang mit Regierungen.

Logos - Theologie und Leben

Im Schatten des Minaretts. Mit Bischof P. Hinder

Samstag, 5. Mai, 19.05, Ö1 (Infos: oe1.orf.at)

Paul Hinder

Geb. am 22. 4.1942 in der Schweiz, steht seit 2005 als Bischof dem Apostolischen Vikariat Südliches Arabien vor, das mit mehr als drei Millionen Quadratkilometern die weltweit größte Diözese darstellt und die Länder Bahrain, Jemen, Katar, Oman sowie die Vereinigten Arabischen Emirate umfasst.

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