Groteske der Selbstreflexion

Werbung
Werbung
Werbung

Drei Einakter von Stefan Zweig, Jean Giraudoux und Arthur Schnitzler am Theater in der Josefstadt spiegeln unfreiwillig die Situation des Hauses.

Patchwork-Theater in der Josefstadt. Unbekannte Stücke bekannter Dramatiker aufzuführen, ist Hans Gratzers erfolgloses Konzept. Diesmal hat er drei Petitessen arrangiert: Stefan Zweigs "Der verwandelte Komödiant", einen Dialog aus Jean Giraudoux' "Impromptu de Paris" und Arthur Schnitzlers Einakter "Der Grüne Kakadu". Damit präsentiert das Haus wahrlich eine Groteske der Selbstreflexion.

Mit Zweigs "Der verwandelte Komödiant" beginnt der Abend gleichsam als Prolog über die Kraft der Illusion. Michael Dangl leitet als wunderbar authentisch-komischer Komödiant den Diskurs über das Theater ein, Tatja Seibt ziert sich als Gräfin und ihr Liebhaber-Chevalier (allzu gestelzt: Erich Schleyer) behauptet Zweigs Diktum der Lüge, die den Schein der Wahrheit sucht. Doch möchte das Theater nicht lügen, sagt uns Giraudoux, sondern den nach Vollbringung seines Tagewerks erschöpften Bürger unterhalten, auf- und erbauen, bilden und fördern. In dessen Zwischenspiel (das auch als Persiflage auf Gratzers aktuelle Situation gelesen werden will) argumentiert der Theaterdirektor (Joachim Bliese) einem Kommissär (Toni Slama) die Notwendigkeit des Theaters, ganz nach Lessing: "für die Sprache, für das ganze Land".

Bis der Zuschauer endlich in das Hauptstück des Abends stolpert. Vor der Folie der Französischen Revolution übereilen sich in der Pariser Spelunke "Zum grünen Kakadu" die Ereignisse. Der Wirt Prospère (Bliese), vormals Theaterdirektor, versammelt in seinem Lokal Laien und professionelle Schauspieler, die seine Gaststube zu einer Variètebühne der besonderen Art verwandeln: Während sich dort am Abend des 14. Juli 1789 die Adeligen der Stadt ihre amourösen Stelldicheins geben, improvisieren die Mitglieder von Prospères Truppe zwischen spontanen Einfällen, privaten Katastrophen und realen politischen Ereignissen. Der melodramatische Schauspieler Henri (mindestens so melodramatisch Peter Scholz) mimt da einen Eifersuchtsmord, der auf seltsame Art wahr wird. Der lüsterne Vicomte von Nogeant (Schleyer) führt seinen jugendlichen Begleiter Albin (Markus Schöttl) in die deftige Welt fern der Etikette, während die Gäste den vermeintlich fiktiven Bericht über die Erstürmung der Bastille kommentieren. Es wäre nicht Schnitzler, wenn Privat und Politik einander nicht bedingten und sich die Dynamik der Handlung nicht aus der Vermischung gesellschaftlicher Hierarchien ergäbe.

Star-Regisseur David Mouchtar-Samorai hat eine Kuriositäten-Party inszeniert, so, wie sich der biedere Bürger derbe Erotik vorstellt. Neben der vor ihrem Liebsten devoten Domina (Christine Jirku) hopsen steril schöne Dirnchen über die rote Plüschmöbelbühne (Heinz Hauser), die ein schräger Spiegel, der moderne Bar-Architektur behauptet, in den Publikumsraum hinein verdoppelt.

Wie betitelt eigentlich das Theater in der Josefstadt sein heiteres Potpourri zum Thema Täuschungsvertrag und Illusionsbruch, Kritikerstarrsinn und Finanzlöcher? Auf jeden Fall ist es ein Stück für Schauspieler, deren Spielfreude das hält, was die fehlende Linie vermissen lässt. Buchstäblich Spiegel der Krise, für deren Stabilisierung es noch andere Strategien als fröhliche Selbstreflexion brauchen wird. Gedankt wurde mit freundlichem, aber müdem Applaus.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung