Gruß aus dem Matriarchat

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Eine amüsante Variation: "Widerspenstigenzähmung" im Wiener Volkstheater.

Der Widerspenstigen Zähmung" gehört zu den populärsten Werken William Shakespeares und hat als "Kiss me, Kate" bekanntlich auch die Musicalbühne erobert. Am Wiener Volkstheater liefert Margit Mezgolich eine "Variation" des Stückes, die es buchstäblich gegen den Strich bürstet: Frauenrollen und Männerrollen sind vertauscht. Das Matriarchat regiert, die Damen halten bei den Müttern um die Hand der Herren an, weibliche Wesen schleichen sich - als männliche Lehrkräfte verkleidet - beim maskulinen Objekt ihrer Begierde ein.

So ist die widerspenstige Katharina zu einem grobschlächtigen Catherino mutiert, dem dank des elterlichen Vermögens die Aufmerksamkeit der in Geldnöten steckenden Petruchia zuteil wird. Dass deren Werben um den rauen Gesellen allgemeine Unterstützung findet, liegt daran, dass erst nach Catherinos Vermählung dessen jüngerer Bruder Bianco, dem die Herzen mehrerer Damen zugeflogen sind, zum Traualtar geführt werden darf. Es ist keine Überraschung, dass es am Ende drei Paare gibt, den seiner Ehepartnerin am devotesten begegnenden Gatten stellt dabei - o Wunder - der einst so unwillig hinter seiner Zeitung hervorgrantelnde Catherino dar.

Die Aufführung im Volkstheater hält sich an Shakespeares Texte in der Baudissin-Übersetzung, legt sie nur konsequent Personen des anderen Geschlechts in den Mund, was naturgemäß zu heiteren Effekten führt. Dass alles nur Theater ist, wird am Anfang, als die Akteure aus der Kantine auf die Bühne gerufen werden, und am Ende, als die letzten Worte über Lautsprecher erklingen, deutlich gemacht.

In Mezgolichs Inszenierung rollt das Geschehen in eineinhalb Stunden ohne Pause ab, temporeich, aber nie überhastet. Hermann Krejcar sorgte für ein Einheitsbühnenbild mit luftig-himmelblauem Hintergrund, das dank der Drehbühne unterschiedliche Perspektiven ermöglicht.

Die Akteure, insbesondere die weiblichen, die in dieser Version über die Mehrzahl der Rollen verfügen, sind offensichtlich mit großer Freude bei der Sache. Als Petruchia zeigt Birgit Doll Härte und Herz bei der Zähmung ihres kratzbürstigen "Katers" Catherino, den Karl Markovics mit großem Ernst darstellt. Dass beide zu alt für ihre Rollen sind, machen sie über weite Strecken vergessen. Catherinos Softie-Bruder Bianco (Holger Schober) wird von einer schmachtenden Damenriege umschwärmt. Schließlich trägt die als Mann verkleidete Lucentia (Piroska Szekely) mit Hilfe ihrer kecken Freundin Trania (Susanne Schaefer) den Sieg über die draufgängerische Hortensia (Katharina Stemberger), die sich dann einen E-Gitarre spielenden Witwer (Jim Libby) angelt, und die hausbackene Gremia (Erika Mottl) davon. Die Mütter, Baptista (Johanna Mertinz) und Vicentia (Gabriele Schuchter), können nur das tun, was bei Shakespeare die Väter tun: den Bund nachträglich segnen. Von den Bediensteten fällt Grumia (eine umwerfende Vera Borek) durch unterhaltsame Gesangseinlagen auf, Curtis (Sabine Herget) durch ein Kostüm, das aus Lappland stammen könnte.

Das amüsante und gelungene Experiment mit etlichen Denkanstößen zum Thema Emanzipation erntete beim Premierenpublikum reichlichen Applaus.

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