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Wenn sich Leute bei mir darüber beschweren, dass ich per Handy nicht erreichbar bin, dann sage ich gern: Ich bin ja keine Ärztin, und germanistische Notfälle sind eher selten.

Es gibt sie aber doch. Das germanistische Institut der Universität Wien zum Beispiel bekommt gar nicht so selten Anfragen informationsbedürftiger Bürgerinnen und Bürger. Im sogenannten Journaldienst müssen Institutsangehörige bestimmte Bücher nach meist fragmentarischen Angaben ausfindig machen, Zitatnachweise suchen, Fragen zur Morphologie des Wiener Dialekts beantworten oder den durchschnittlichen Wortschatz des Erwachsenen "in Österreich bzw. Europa (wie viele Wörter)" ermitteln.

Die Stillung der Neugier versteht sich als Gratisservice am Steuerzahler. Bisweilen ähneln die Ansinnen aber regelrechten Arbeitsaufträgen. Einmal hat ein Fernsehsender jemanden gesucht, der eine Anthologie zusammenstellen sollte: aus Freude an der Sache, wie ja bekanntlich auch Friseurinnen und Installateure aus reiner Lust an der technischen Herausforderung für und an uns tätig werden.

Die Tendenz zur Professionalisierung ist indes unverkennbar. Zuletzt ging am Institut das Schreiben einer sich als "Head of Marketing" bezeichnenden Mitarbeiterin einer Rechtsanwaltskanzlei ein, die "für unsere Anwälte und Konzipienten auf der Suche nach einem kurzen Crash Kurs in Sachen Beistrichsetzung und schwierige Fragen der Rechtschreibung" ist. "Dauer ca. 1-2 Std.", Hausbesuch erbeten. Da empfiehlt sich doch wirklich die Einrichtung einer Hotline für germanistische Notfälle. Die stärkte den Glauben an die gesellschaftliche Relevanz der Disziplin und wäre gewiss auch ein Beitrag zu der vom Rektorat angestrebten und mittels "Survey" vorbereiteten "Sichtbarkeitssteigerung in den Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaften (GSK)".

Die Autorin ist Germanistin und Literaturkritikerin

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