Gut, besser, schlecht

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Die Provokation bewusst "schlechter" Bilder in einer Ausstellung des Wiener Museums Moderner Kunst: Ein etwas anderer Blick auf die Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts.

Für viele Maler gibt es wohl nur ein erklärtes Ziel: so richtig gute Bilder zu malen. Die quengelndste Frage folgt auf den Fuß: Was macht denn ein Bild zu einem guten Bild? Dabei ist die noch schwergewichtigere Frage, was denn ein Bild zu einem Bild macht, noch nicht einmal angerissen. Allein das Begehren, die Güte eines Bildes anschaubar oder begriffsfest machen zu wollen, reicht völlig aus, damit theoretische Kunstbetrachter die Augen verdrehen. Verschärft wird die Situation noch durch diejenigen Teilnehmer am internationalen Kunstgespräch, die justament das genaue Gegenteil zu ihrem Kunstziel erklärt haben: bad painting ist für sie das höchste Prädikat, das man ihren Arbeiten verleihen kann.

"Bad painting" gegen …

Erstmals tauchte diese Zuordnung von "bad painting" in der von Marcia Tucker kuratierten Ausstellung 1978 im New-Yorker New Museum auf. Ging es dort noch allgemeiner um eine Verteidigung der figurativen Malerei, so versucht nun die Ausstellung im Museum Moderner Kunst in Wien zumindest eine lose Familie von "bad painters" zu präsentieren, untermauert mit einer dazugehörigen Genealogie. Dieses Pionierprojekt, eine nie programmatisch verwendete Kategorie nun zum Auswahlkriterium einer Ausstellung zu machen, liefert damit auch eine etwas anders ausgerichtete Sichtweise auf die Kunst des 20. Jahrhunderts.

"Bad Painting" versammelt nun weder Arbeiten, die sich der Darstellung von bösen und jeglicher guter Umgangsform widersprechenden Motiven annehmen, noch um solche, die sich, wie die "art brut" etwa, einer Ästhetik der Hässlichkeit verschrieben haben, und schon gar nicht geht es um aus Unvermögen entstandene banal-schlechte Bilder. Die Auswahl ergibt sich aus den historischen Entstehungssituationen. "Die Antwort lautet, dass, sobald die Hochphase der Avantgarde des frühen 20. Jahrhunderts vorbei ist, deren Ansprüche immer wieder durch Formen von Bad Painting hinterfragt und gebrochen werden, ganz besonders dann, wenn die jeweiligen Avantgarden fahl, kraftlos und erstarrt geworden sind; oder eben in jenen Zeiten, wenn das Medium Malerei durch diese Avantgarden gerade desavouiert wird," schreibt Eva Badura-Triska im sehr lesenswerten Katalogbuch.

Die vorgestellten bad painters sind allesamt Könner ihres Faches, jeder ihrer Pinselstriche formuliert ein klares Bekenntnis zur Malerei, wenngleich sie in ihren Arbeiten gleichzeitig die Grenzen von Malerei und Kunst generell aufzeigen möchten. Alle Benimmregeln für die Malerei sind für sie nur dazu da, überwunden zu werden, teils durch ein Malen von "Fehlern" auf höchstem künstlerischem Niveau, teils durch die Einfügung von Störfaktoren und am augenscheinlichsten wohl mit einer offen ausgetragenen Sympathie für den Kitsch. Die großen Würfe der "bad painters" sind allesamt eingebettet in beißende Ironie und leben von der Lust, alle hehren Errungenschaften in schalkhaften Parodien zur Darstellung zu bringen.

… den "guten Geschmack"

So malte der realistische Großmeister des Surrealismus, René Magritte, in seiner "période vache" für eine Ausstellung in Paris Bilder, die selbst dem "guten Geschmack" der surrealistischen Verschiebung nicht mehr entsprachen. Mit dem Zusatz "vache", was wörtlich zwar "Kuh", adjektivisch aber im Sinne von "gemein" verwendet wird, nimmt er die "Fauves", die aufstrebenden "Wilden" rund um Henri Matisse zu Beginn des Jahrhunderts, aufs Korn.

Asger Jorn seinerseits versah grauenvoll kitschige Bilder vom Flohmarkt - Paradebeispiel ist der "klassisch" röhrende Hirsch - mit kleinen malerischen Ergänzungen und hievte sie damit in eine völlig andere Kategorie künstlerischer Ernsthaftigkeit, ausgedrückt mit den Mitteln des Lächerlichen. Francis Picabia schuf im Stile von Sonntagsmalern Klischeebilder spanischer Schönheiten und bietet damit John Currin unmittelbare Vorläuferinnen für seine Pin-up-girls. An weiteren Beispielen von Albert Öhlen bis Martin Kippenberger und von Gerhard Richter über Sigmar Polke bis Julian Schnabel zeigt sich: Es ist extrem schwierig, so richtig gut darin zu sein, schlecht zu malen.

Bad Painting - Good Art

Museum Moderner Kunst

Museumsplatz 1, 1070 Wien

Bis 12. 10. Mo-So 10-18, Do 10-21h

Katalog: Köln 2008, 256 S., € 34,90

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