Gute Bücher, schlechtes Klima

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Im Literaturhaus wurde der Fried-Preis verliehen, zur Zeit läuft eine Ausstellung österreichischer Exilliteratur. Doch sein Betrieb ist gefährdet.

Wer in Österreich zur kritischen Intelligenz gehören will, muss applaudieren: Robert Menasse, der professionellste Österreich-Erklärer, wurde mit dem Erich-Fried-Preis ausgezeichnet. Wider Erwarten rief er dabei nicht zur Emigration aller Künstler/innen, zum Sturz der Regierung oder wenigstens zum Rücktritt von Staatssekretär Morak auf, sondern begnügte sich mit der Frage nach einer engagierten Literatur (die Antwort folgt vielleicht, wenn er den nächsten Preis bekommt). Die Verleihung fand im Wiener Literaturhaus statt, das in den aufgeregten Debatten der letzten Wochen um Literaturbetrieb und Kunstförderung im Kreuzfeuer stand. Bis Anfang Dezember ist mit wichtigen Entscheidungen bezüglich seiner Zukunft zu rechnen.

Jedes Theater braucht einen florierenden Betrieb, Künstler sind auf Galerien und Ausstellungen angewiesen, aber der Schriftsteller braucht nur Papier, um seine Bücher zu schreiben - und neuerdings vielleicht noch einen Computer. Solche Klischees geistern noch immer herum, und im Vormonat hat sie gerade ein Autor vollmundig verkündet: Michael Scharang hat in der Presse eine Breitseite gegen den gesamten Literaturbetrieb abgefeuert. Besser als diesen Betrieb solle man die Autorinnen und Autoren fördern.

Zyniker Michael Scharang

Das fordert ein Autor, der seit seinen Anfängen auf Veranstaltungen aufgetreten ist, also vom Literaturbetrieb profitiert hat und von den nicht eben berauschenden Verkaufszahlen seiner Romane ebenso wenig leben könnte wie er durch ihre unbestrittene Qualität überzeuget. Ausgerechnet der Zyniker Scharang, der den Kommunismus verteidigte, als seine Schriftstellerkollegen in Osteuropa im Gefängnis saßen oder Publikationsverbot hatten, hat jedes Augenmaß für die Produktionsbedingungen von Literatur verloren.

Das rief Robert Menasse auf den Plan, den professionell aufgeregten Verfasser von Manifesten, in denen österreichische Künstler zur Emigration oder die Regierung zum Rücktritt aufgefordert wird. Ganzseitig replizierte er in der Presse nicht nur auf Scharang, sondern ritt eine Generalattacke gegen Kulturstaatssekretär Franz Morak. Im Standard ging die Kontroverse weiter, in der Kleinen Zeitung hat er am Wochenende seine simplen Schwarz-Weiß-Schemata auf den Punkt gebracht: "Morak hat ein klares Konzept. Es besteht darin, alle Künstler zu zerstören."

Nun hat Menasse also den Erich-Fried-Preis erhalten: von Robert Schindel als alleinigem Juror - Robert Schindel, der im "Club des toten Dichters", der Erich-Fried-Gesellschaft, schon lange eine Rolle spielt und vor einem Jahrzehnt selbst Fried-Preisträger war. Jurys sind oft schwerfällig und kreieren Kompromisskandidaten; aber alleinige Juroren sorgen leider selten für Überraschungen, sondern viel öfter für den Eindruck, dass alte Freunde einander die Preise zuschanzen.

Literaturpreise sind ein wichtiger Bestandteil des literarischen Lebens, denn die Autoren können und konnten vom Verkauf ihrer Bücher in der Regel nicht leben. In Zeiten eines aggressiven Bestsellerwesens, wo der neue Harry Potter, Madonnas Kinderbuch oder eine Promi-Biografie drei Schaufenster einer renommierten Buchhandlung füllen, wird es immer wichtiger, auch in die Herstellung einer Öffentlichkeit für Literatur - Lesungen, Diskussionen, Ausstellungen usw. - zu investieren; wie Gerhard Ruiss, der Obmann der IG Autorinnen und Autoren, feststellt. Scharangs Vorschlag, das Geld lieber den Autoren zu geben, liefe ja darauf hinaus, dass vielleicht mehr Bücher produziert, aber noch weniger Aufmerksamkeit finden würden.

1996 war Österreich vielbeachtetes Schwerpunktland bei der jährlichen Frankfurter Buchmesse. Im Land selbst gehört die Literatur seither zu den Verlierern. Es begann damit, dass Viktor Klima Kunst zur "Chefsache" erklärte und den freundlich-hilflosen Peter Wittmann zum Staatssekretär machte. In dieser Zeit begannen die Einsparungen: Von 1998 auf 1999 wurde das Literaturhaus Wien um acht Prozent gekürzt. Es war nicht Franz Morak, der mit der Kürzung begonnen hat; aber er hat sie im Jahr 2000 mit weiteren zehn Prozent fortgesetzt, und seither ist das Budget des Literaturhauses gleich geblieben.

Das hat damals Kündigungen nach sich gezogen, und wenn das Budget auch für 2004 nicht erhöht wird, müssen weitere Kündigungen ausgesprochen werden, wie Heinz Lunzer, der Leiter des Literaturhauses, gegenüber der Furche erklärt. Und das hätte weitere dramatische Einschränkungen der Arbeit des Hauses zur Folge. Schon jetzt ist die wertvolle Handschriftensammlung nur mehr benutzbar, kann aber nicht mehr weitergeführt oder betreut werden.

Gefahr im Verzug

Aus den Fugen ist das Budget des Literaturhauses durch die Reparatur der Klimaanlage in der Bibliothek geraten. Gegen Einwände, sie sei vor der Förderungszusage durch denBund erfolgt, hält Lunzer fest: Angesucht wurde bereits im Jänner 2003, bis Juni lag keine Zusage vor, lediglich Aussagen von Beamten, dass sie möglich sein müsste. Da Gefahr im Verzug war - die im Sommer unter dem Glasdach des Literaturhauses entstandenen Temperaturen wären den Büchern gefährlich geworden - habe man handeln müssen. Offenbar gibt es im Haus auch interne Differenzen: Der Klagenfurter Germanist Friedbert Aspetsberger ist als Vorstandsmitglied zurückgetreten, gibt darüber aber keine Auskunft.

Wer zahlt Basiskosten?

Das Grundproblem aber ist für Lunzer: Man findet Sponsoren für Projekte, aber nicht für die Basiskosten. An denen will Morak auch die Stadt Wien beteiligen. Offenbar sprechen sich aber Bund und Stadt Wien darüber nicht ab, sondern werfen sich gegenseitig den Ball zu. Wird hier ein parteipolitisch motiviertes Hin und Her auf dem Rücken des Literaturhauses ausgetragen, das, so Lunzer, die größte Bibliothek österreichischer Literatur des 20. Jahrhunderts und eine ganz unvergleichliche Sammlung von Texten, Bildern und Tondokumenten österreichischer Exilliteratur besitzt? Ihre Bedeutung zeigt die derzeit laufende Ausstellung "Geteilte Erinnerung: Generationen des Exils"

Ob die Arbeit des für ganz Österreich bedeutenden Literaturhauses wie bisher weitergeführt werden kann? Heinz Lunzer hofft auf eine Entscheidung bis Anfang Dezember.

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