Häuserkampf in Salzburg

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Das Bemühen um architektonischen Anspruch führt in Salzburger Landgemeinden zu Konflikten, zeigt aber auch immer mehr Erfolg. Dass herausragende zeitgemäße Architektur zu den Baudenkmälern von morgen werden kann, ist noch nicht Allgemeingut.

Projekt abgelehnt. Die Ortsbildschutzkommission der Pongauer Gemeinde Goldegg riet 2003 dem Bürgermeister, die Baubewilligung für das Einfamilienhaus Steinacher zu verweigern, "da eine Einfügung in das charakteristische Gepräge des geschützten Ortsbildes [...] nicht absehbar" sei. Dies, obwohl Architekt Tom Lechner in Abstimmung mit der Kommission einen zweigeschoßigen Holzbau vorschlug, dessen Volumen und Firstrichtung des Satteldachs sich dem historischen Ortskern klar unterordnete. Erst eine Stellungnahme des "Fachbeirats Architektur" des Landes Salzburg konnte die unschlüssigen Argumente der Ortsbildschutzkommission aushebeln. Lechner setze den traditionellen, auch den Ortskern prägenden Baustoff Holz konstruktiv und mit einer Verschindelung auch fassadenbildend ein. Die Familie bezog im Sommer 2005 das helle, sich mit großen Fensteröffnungen zum nahen See öffnende Haus, das den Anforderungen modernen Wohnens gerecht wird.

Als vor einigen Jahren Tom Lechner das Wohnhausprojekt Thurner in Altenmarkt einreichte, nahmen die Schwierigkeiten absurde Züge an. Im Bauausschuss wischte der ehemalige Pongauer Bezirksarchitekt als Berater des Bürgermeisters ein positives Gutachten des "Fachbeirats Architektur" des Landes vom Tisch. Das Flachdach wurde abgelehnt. Nach fünf Monaten führte das Zugeständnis eines flachen, überstehenden Walmdaches zur Genehmigung.

Fabrik und Bettenburgen

Großvieh macht hingegen kaum Mist: Die 30.000 Quadratmeter-Erweiterung der nahen Skifabrik Atomic wuchs diskussions- und kritiklos. Atomic Altenmarkt erhielt in nur drei Monaten sämtliche Genehmigungen für das neue Logistik-Center. Flugs standen das 13 Meter hohe Hochregallager (72x79 Meter) und weitere drei Hallen. Die Fabrik böte der Altenmarkter Kirche 35 mal Platz, gibt aber 800 Menschen Arbeit. Die Fabrik rückt näher an ein Wohngebiet heran, durch das der wachsende Werksverkehr strömt. Eine geordnete Anbindung an die nahe Autobahn fehlt.

Auch touristische Agglomerationen in den Alpentälern sprengen - trotz des vermeintlichem Heilmittels Sattel- oder Krüppelwalmdach - meist den Maßstab gewachsener Strukturen. Irreversibel verschwindet die alpine Kulturlandschaft, die historische Baukultur, die Chance einer ökologisch nachhaltigen touristischen Entwicklungsperspektive. Raumordnerisch strukturelle Zielsetzungen werden Einzelinteressen geopfert. Zersiedelung, Verkitschung und Disneysierung der Ortschaften schreitet, von keinem Bezirksarchitekten oder lokalen Gestaltungsbeirat thematisiert, voran. Besonders im Tourismus können die kitschigsten, alle Maßstäbe sprengenden Bettenburgen in die Landschaft gestellt werden, während architektonisch anspruchsvolle Bauten Ablehnung finden. Als im Jahr 2000 mit dem Internetprojekt "Landumgang" Pongauer Bürgermeister mit diesem Widerspruch konfrontiert wurden, haben einige ihre Toleranz gegenüber Architektur erweitert.

Chance für neue Architektur

Ist in Raumordnungsfragen keine Besserung absehbar, so haben sich die Rahmenbedinungen für zeitgemäße Architektur im letzten Jahrzehnt schrittweise deutlich zum Besseren verändert. Eine bedeutende Rolle spielen die Bürgermeister als erste Bauinstanz. Peter Nindl in Neukirchen am Großvenediger ist einer von jenen, der die Potenziale von Architektur-Wettbewerben und anspruchsvoller Baukunst erkannte. Er ignorierte bei der ambitionierten Schulerweiterung von Architekt Fritz Lorenz die abstruse Satteldachforderung des Bezirksarchitekten. Standfest zeigte sich auch der Oberalmer Bürgermeister Rudolf Schürer gegenüber architekturfeindlichen Angriffen einer Bürgerinitiative beim neuen Gemeindezentrum. Er hat mit dem Siegerprojekt eines eu-weiten Wettbewerbs die Argumente auf seiner Seite. Das Wiener Architektenduo "gerner°gerner plus" realisierte mittlerweile einen kompakten, zweigeschoßigen Baukörper, der sich großzügig zum Vorplatz öffnet.

Die Rolle der Beamten

Ebenso wichtig ist die Hilfe von engagierten Beamten. Im benachbarten Oberösterreich leisten vier kompetente Architekturvermittler Aufbauarbeit. Die Architektenkammer würdigte zu Recht die Leiter der Bezirksbauämter Oskar Weiß (Innviertel) und Kurt Ziegler (Gmunden) sowie die Landesbeamten Walter Werschnig (Raumplanung) und Roland Forster (Ortsbildbeirat) für ihr Engagement. Sie intensivierten die Architekturvermittlung auf dem Land. In Salzburg ist der seit einem Jahrzehnt tätige Sachverständige für Hochbauliche Planung Alexander Eggerth einer der noch zu wenigen architekturfreundlichen Partner. Erich Wenger setzt wichtige Impulse bei Architekturwettbewerben, zuletzt beim Nationalparkzentrum Hohe Tauern in Mittersill. Das Siegerprojekt vom Salzburger Architektenteam Thomas Forsthuber und Christoph Scheitauer soll ein architektonischer Erlebnisraum besonderer Prägung werden. Die Landespolitik muss bei den aktuellen Neubesetzungen die Interessen der 2005 pensionierten Beamten ignorieren und ein klares Zeichen setzen, dass nicht Architekturverhinderer, sondern Architekturförderer wie Eggerth zum Zug kommen.

Gebaute Beispiele

Im Gegensatz zu Bundesländern wie Tirol oder Vorarlberg sind die Arbeitsbedingungen für engagierte Architekten auf dem Land in Salzburg noch deutlich schlechter. Neben der vitalen Szene in der Stadt Salzburg befruchten erfreulicherweise immer mehr vor Ort lebende und arbeitende junge Architekten den Diskurs. So haben Simon Speigner und Johannes Ebner/Franz Grömer ein Büro im Flachgau, Geistlweg-Architektur im Tennengau, Ulrich Stöckl, Innerhofer oder Innerhofer und Ernst Hasenauer im Pinzgau.

Seit 2000 vermittelt der 1970 in Altenmarkt geborene Architekt Tom Lechner in Radstadt im Pongau hartnäckig und mit wachsendem Erfolg zeitgemäße Architektur durch gebaute Beispiele. Durch intensive Betreuung und Exkursionstätigkeit kann er oft seine zukünftigen Bauherrn vom Mehrwert der Architektur überzeugen und in der Region außergewöhnliche Bauten realisieren. Als die Gemeinde einem Einfamilienhausprojekt in Bischofshofen skeptisch gegenüberstand, führte er gemeinsam mit dem Bauherrn eine Befragung der Nachbarn durch, die sehr positiv aufgenommen wurde. So mußten der Bürgermeisters und der lokale Gestaltungsbeirat zustimmen.

Im Jänner 2004 gewann Tom Lechner den Wettbewerb für den Neubau des Firmengebäudes eines Bauunternehmens in St. Johann im Pongau. Bauherr ist Hartmut Spiluttini, der nach dem Architekturstudium in Graz 1974 das väterliche Bauunternehmen übernahm und ausbaute. Spiluttini engagiert sich seit Jahrzehnten für Baukultur auf dem Land und setzte mit seinem Bauunternehmen das Projekt zügig um.

Das viergeschoßige Bürogebäude Spiluttini mit Werkstatt bildet mit dem überdachten Außenlager einen hofartigen Freiraum. Die anthrazitfarbene Putzfassade und die kontrastierenden Lärchenholz-Elemente geben dem Bürogebäude eine prägnante Erscheinung. Eine reduzierte Formensprache und die hohe Detailqualität zeichnen auch das Innere aus. Vom großzügigen, zweigeschoßigen Empfangsbereich führt eine einläufige Treppe ins Bürogeschoß. Den Besucher empfängt ein Aufenthaltsbereich mit großzügiger Terrasse, gefolgt von einer introvertierteren Bürozone. Verglaste Zellen gruppieren sich um den zentralen breiten Flur. Ein freistehendes Multifunktionsmöbel mit Barcharakter soll die intern-informelle Kommunikation fördern.

Nur wenige Stützen führen zu größtmöglicher Nutzungsflexibilität der Geschoße. Die hohe Qualität der Sichtbetonflächen zeugt vom eigenen Anspruchs der Bauunternehmens. Eine kontrollierte Wohnraumlüftung und vorgelagerte Sonnenschutzelemente tragen zum Niedrigenergiestandard des innovativen, zukunftsorientierten Betriebsgebäudes bei.

Notwendige Reformen

2004 konnte Lechner gemeinsam mit "hobby a" den Wettbewerb Gusswerk in Stadt-Salzburg für sich entscheiden. Der Wettbewerb zur Neugestaltung des Stadtplatzes von Radstadt ging ebenfalls an das Siegerprojekt von Tom Lechner. Er interpretierte die gesamte Fläche als einen spür- und erlebbaren Freiraum und musste darum kämpfen, dass lokaler Kleingeist die großzügige städtische Lösung nicht verwässert.

Tom Lechner ist ein Vertreter der wachsenden Gruppe engagierter junger Architekten auf dem Land. Damit die positive Entwicklung eine Beschleunigung erfährt, braucht es allerdings Reformen: etwa eine architekturfreundlichere Besetzung der lokalen Gestaltungsbeiräte, eine Verbesserung des Wettbewerbswesens oder den massiven Ausbau der begleitenden Architekturvermittlung. Politik und Bauverwaltung sind gefragt.

Der Autor ist freier Architekturpublizist in Salzburg.

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