Hat er gar "gestanglt“?

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Extrembergsteiger Hans Kammerlander war schlampig und ist auf den falschen Gipfel gestiegen - schlecht für ihn, perfekt für den investigativen Alpinjournalismus.

Der Volksmund kennt "Jäger, Fischer und andere Lügner“. Bergsteiger werden bisher nicht in diese Aufschneider-Branchen eingereiht. Das ändert sich, seit die Südkoreanerin Oh Eun-sun die erste Frau auf allen 14 Achttausendern gewesen sein will, dies bei einem Berg jedoch umstritten bleibt. Nachdem der Steirer Christian Stangl 2010 zudem der K2-Gipfellüge überführt wurde - er hatte sich die Besteigung "nur eingebildet“ -, kämpfen Extrembergsteiger mit einem Vertrauensmalus.

Zuletzt ist der Südtiroler Alpinist Hans Kammerlander in den Verdacht geraten zu "stangln“. In einem österreichischen Internet-Bergsteigerforum wurde ihm "Betrug“ vorgeworfen; Spiegel, FAZ und andere haben über den Vorwurf berichtet. Wobei es hier mehr um Schlampigkeit geht als um Betrug. Kammerlander hat sich auf seiner Tournee auf die zweithöchsten Berge aller sieben Kontinente bei einem, evt. auch bei einem zweiten Gipfel vertan und ist auf den niedrigeren Nebengipfel gestiegen. Nicht aus Vorsatz, nicht aus Schwäche, sondern er war überzeugt am zweithöchsten Punkt Nordamerikas bzw. Ozeaniens zu sein.

Mehr als eine Bergsteigerposse

Als die mediale Kritik losging, beschuldigte Kammerlander Journalisten einer Kampagne gegen ihn und vermutete Stangl als Drahtzieher, da dieser wie er die "Seven Second Summits“ erstbesteigen wollte. Mittlerweile hat er seinen Fehler eingestanden und den richtigen Mount Logan in Kanada bestiegen.

Ende gut, alles gut? Noch besser, denn die Geschichte ist mehr als eine Bergsteigerposse. Nach "Stangls K2-Lüge“ haben sich die Selektionskriterien der Medien gegenüber alpinen Höchstleistungen erweitert. Standen bislang Neuheit, Abenteuer, Gefährlichkeit, Personalisierung als Bewertungsmaßstab für die Berichterstattung ganz oben, so tauchen seit Stangl auch Normverstoß, Betrug, Konfliktpotenzial und die Möglichkeit der moralischen Bewertung im journalistischen Wahrnehmungsraster auf. Aufdeckerqualitäten halten Einzug in den Alpinjournalismus.

Das kannte man bislang nur in alpinhistorischer Hinsicht, so wenn die Nazi-Vergangenheit von Bergheroen ein Thema wurde. Für den Alpinjournalismus ist dieser größere Fokus über den "Bewunderungsjournalismus“ hinaus begrüßenswert. Und für die Bergsteiger sollte Überprüfbarkeit kein Problem sein.

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