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Was auf den Wiener Bühnen für diese Saison zu erwarten ist.

Im Wiener Theater rumort es. Nicht so sehr an den großen Häusern, auch wenn im Volkstheater ein neuer Direktor eingezogen ist, Klaus Bachler seinen Abgang nach München angekündigt hat und fast alle Theater auf das "Gedankenjahr" reagieren. Aber bei den mittleren und kleinen Bühnen zeigt die Theaterreform erste Auswirkungen. Johanna Tomeks Theater m.b.H. und die Gruppe 80 haben aufgegeben, andere sind längerfristig gesichert, wieder andere machen ambitioniert ohne fest geknüpftes Sicherheitsnetz weiter.

Im Burgtheater feiert am 50. Jahrestag der Wiedereröffnung des Hauses am Ring Martin KuÇsejs Salzburger Festspielinszenierung von König Ottokars Glück und Ende ihre Wiener Premiere. Nicht als nostalgische Pflichtübung, sondern als Programmpunkt in einem "Denkjahr" (Klaus Bachler), das zur kritischen Stellungnahme zu Vergangenheit, Zukunft und Gegenwart anregen soll. An Klassiker aus dem Eröffnungszyklus von 1955 erinnern neben KuÇsej noch Stefan Bachmann mit Raimunds Verschwender (16. September) und Stephan Kimmig mit Goethes für Februar geplantem Torquato Tasso. Das Mozartjahr beschert auch eine Koproduktion mit der Staatsoper: Die Entführung aus dem Serail, musikalische Leitung Philipp Jordan, Regie Karin Beier.

Franzobel-Stück an der Burg

Im Akademietheater reiht sich eine Uraufführung an die andere. Auf Gert Jonkes skurril-utopisches Triptychon Die versunkene Kathedrale mit Markus Hering als Protagonist und Christiane Pohle als Regisseurin folgt mit Wir wollen den Messias jetzt oder Die beschleunigte Familie ein neuer Franzobel über einen Jesus im heutigen Wien. Gleichfalls im Wiener Vorstadtmilieu treffen dann russische Immigranten in Igor Bauersimas Boulevard Sevastopol zu einer Silvesterparty zusammen. Daneben fungiert das Kasino am Schwarzenbergplatz weiterhin als Werkstattbühne für das Theater von Morgen.

Zwei Ereignisse - oder soll man Events sagen? - werden gewiss die Gemüter erregen: Am 19. November wird die Burg zum Schauplatz der 122. Aktion von Hermann Nitschs Orgien-Mysterien-Theater und im Jänner bringt Provokateur Christoph Schlingensief eine Sadochrist Matthäus betitelte "prä-animatographische Passion nach Bach" heraus.

Neue Ära am Volkstheater

Mit Minna von Barnhelm unter Hausregisseurin Andrea Breth und Arsen und Spitzenhäubchen tritt die Burg quasi in Konkurrenz zur Josefstadt, wo beide Werke im Vorjahr zu sehen waren und wo sich unter Helmut Lohners ausklingender Direktion im Vertrauen auf Kontinuität unter Wunschnachfolger Herbert Föttinger die Wogen wieder geglättet haben. Außer der Uraufführung von Friederike Roths Patienten gibt es Neuinszenierungen bewährter Theaterliteratur. Für Irritationen könnten nur Thomas Bernhards nicht ganz so einfach zu konsumierender Ignorant und der Wahnsinnige mit Joachim Bißmeier oder Wildes Komödie Bunbury sorgen, in der Hans Hollmann alle Rollen mit Männern, unter ihnen Lohner und Schenk, besetzt hat.

Im Brennpunkt des Interesses steht fraglos das Volkstheater mit seinem neuen Direktor Michael Schottenberg, der ein anspruchsvolles, verschiedene Zielgruppen ansprechendes Programm und so manche Neuerungen angekündigt hat. Das Ensemble wird in Zukunft auch die frühere Probebühne, den etwa 230 Plätze fassenden "Hundsturm" in der Margaretenstraße, bespielen, vorrangig mit Werken junger Autoren in experimentellen, eher "trashigen" Produktionen. Nach den Vorstellungen im Haupthaus kann man den Theaterabend in der "Roten Bar" bei thematisch zur Vorstellung passenden Nachtprogrammen ausklingen lassen. Eröffnet wird am 4. September mit einer Uraufführung zum Thema Spiegelgrund von Christoph Klimke, Regie Johann Kresnik. Kurz darauf folgen Horváths Kasimir und Karoline, Hader und Dorfers Indien, Nestroys Freiheit in Krähwinkel und Bernhards zynische Komödie Vor dem Ruhestand. Den Schlusspunkt unter die Spielzeit setzen Schillers Räuber. Im März gastiert das Ensemble im Bellaria-Kino mit einer szenischen Bearbeitung von Bettauers Roman Stadt ohne Juden.

Die freie Theaterszene

Unter den Mittelbühnen behauptet sich weiterhin das Schauspielhaus als über den österreichischen Tellerrand hinausblickende Off-Bühne mit David Mayaan als "artist in residence" auf neuen Theaterwegen. Selbstbewusst blickt man nach der Theaterreform im auf "Trash" spezialisierten "Rabenhof" der neuen Spielzeit entgegen, wo man sich zum Saisonauftakt Schillers (ins alte Japan verlegte) Räuber vornimmt. Immer einen Besuch wert ist auch das längst nicht mehr nur als Geheimtipp gehandelte Kabinett-Theater in der Porzellangasse.

Auf alle Fälle aber ist es lohnend, sich in der Szene umzuschauen: im "Spielraum" z.B. oder in der Drachengasse, bei den Freien Gruppen oder im neuen stadtTheater in der Walfischgasse, wo so manches Programm an die vertriebene Unterhaltungskultur erinnert.

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