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Das Österreichische Volkskundemuseum zeigt Currachs - jene speziellen irischen Boote, die zum Nationalsymbol geworden sind.

Was hat eine Ausstellung über Hautboote (nicht Hausboote!) aus dem wilden Westen Irlands im Österreichischen Volkskundemuseum verloren? Diese in Europa einzigartigen leichten, kiellosen, ursprünglich aus Ästen und Rinderhäuten gebauten Boote, 2,5 bis 7,5 Meter lang, die ein einziger Mann ohne Pier zu Wasser lassen konnte, werden schon im 9. Jahrhundert in der irischen Literatur erwähnt: Die Navigatio Sancti Brendani (Reise des Heiligen Brendan) soll nach Nordamerika geführt haben. Dass dies nicht unmöglich war, bewies 1976 ein Abenteurer, indem er von Irland über Island mit einem Lederboot Neufundland erreichte.

De frühesten Bilder und Beschreibungen von Hautbooten stammen aus dem Mesopotamien des 5. Jahrhunderts vor Christus. Die Eskimos im äußersten Norden Amerikas und im äußersten Osten Sibiriens verwenden sie bis heute. Und die Iren. "Currachs" heißen diese gleich Meeresvögeln über die Wellen tanzenden Fahrzeuge auf Gälisch; Männer, die sie paddeln oder rudern, gelten als "echte Kerle". Die ursprünglichen Baumaterialien wurden mit der Zeit durch Bretter und geteerte Leinwand ersetzt. Currachs waren und sind Arbeitsgeräte für Fischer, Transportmittel für Mensch und Vieh in der Irischen See. Seit den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts hat der Tourismus die Attraktivität der Boote entdeckt, sie werden aus Fiberglas nachgebaut und für Rennen eingesetzt, an denen auch Frauen teilnehmen dürfen.

Romantik und Fischer-Alltag

Alte und neue Modelle, Leihgaben des Irischen Nationalmuseums (Museum of Country Life, Turlough Park, Castlebar, CO. Mayo, 230 km westlich von Dublin, www.museum.ie) sind im Volkskundemuseum zu bestaunen, neben vielen historischen Fotografien und Filmen, die das harte Leben der Fischer zeigen. Maler schufen romantische Gemälde der Boote, die wie kleine schwarze Wale zum Trocknen am Strand liegen. Der Dramatiker J. M. Synge wie der Dichter und Literaturnobelpreisträger des Jahres 1923, W. B. Yeats, sahen in ihnen ein geheimnisvolles Symbol des gälischen Wesens: schlicht, unbezähmbar, mythenumwoben. Als christliches Zugeständnis findet man in jedem Boot ein Weihwasserfläschchen. Guinness Stout (ein dunkles Bier) warb vor 30 Jahren für sein Produkt mit einem Plakat, das Bier und Currachs vereinte.

Das Herzstück der Ausstellung freilich ist keine Leihgabe, sondern ein Currach, das der Wiener Mediziner und Ethnograf Rudolf Trebitsch (1876-1918) dem Museum im Jahr 1907 schenkte. Trebitsch, Sohn eines jüdischen Wiener Seidenfabrikanten, wohlhabend, gebildet, weltoffen, erwarb sein zweites Doktorat 1911 über Fellboote und primitive Schiffsfahrzeuge. Er reiste nach Irland, Grönland, Schottland, Wales, in die Bretagne und ins Baskenland auf der Suche nach archaischen Lebensformen. Unschätzbar ist seine Ausbeute für die Sprachwissenschaft, denn seine Tonaufnahmen sind die frühesten der irischgälischen Sprache. Das Phonogramm-Archiv der Akademie der Wissenschaften brachte kürzlich 3 CDs heraus. Das Völkerkundemuseum in Wien erhielt von Trebitsch 400 Objekte aus Grönland, das Volkskundemuseum 700 aus dem Baskenland und 400 aus der Bretagne. Und ein irisches Fischerboot aus Flechtwerk und Leinwand.

Wiener Irland-Forscher

Als die neue Direktorin des Wiener Volkskundemuseums Margot Schindler 2004 in Ljubljana bei einer Ausstellung von 13 europäischen Museen zum Thema "Europäische Identitätssymbole" den Beitrag des irischen Nationalmuseums, nämlich Currachs, sah, fielen ihr die zwar inventarisierten, aber bisher nicht weiter aufgearbeiteten Trebitsch-Schätze ein. Schindler suchte die Zusammenarbeit mit dem irischen Nationalmuseum. Das Ergebnis ist diese feine kleine Ausstellung, die ihren Höhepunkt vom 24. Juni bis 1. Juli erreicht. Nur mehr wenige Menschen beherrschen die Kunst, traditionelle Currachs zu bauen. Einer von ihnen kommt nach Wien und lässt sich zuschauen, wie er aus Haselruten, Fichtenlatten, Leinwand und Teer das Boot baut.

Currachs. Boote aus Irland

Vom Arbeitsgerät zum Nationalsymbol

Österreichisches Museum f. Volkskunde

Laudongasse 15-19, 1080 Wien

Bis 2. 7. Di-So 10-17 Uhr.

Bootsbau in der Schauwerkstatt des Museums 24. 6.-1. 7. täglich 10-16 Uhr

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