Heerführer Pro & contra Napoleon

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Auf den Spuren der Feldherren Karl Philipp von Schwarzenberg und Józef Poniatowski. Zwischen Schwarzenbergplatz und Rennweg kann man polnische Geschichte lernen.

Wien, Schwarzenbergplatz: Wenn ich, fast jeden Tag, am Denkmal des Fürsten Karl Philipp zu Schwarzenberg vorbeikomme, frage ich manchmal die mit mir auf die Straßenbahnen D und 71 Wartenden nach der Person des taubenumschwärmten Reiters, der so energisch seinen Degen in die Scheide stößt. Dass Schwarzenberg 1812 das österreichische Flankenkorps der Grande Armée im Russlandfeldzug führte und auf Napoleons Wunsch zum Feldmarschall befördert wurde, wissen selbst nur wenige Besucher der "Krieg und Frieden“-Inszenierung Matthias Hartmanns im (ehem. Offiziers-) Kasino des Burgtheaters. Kaiser Franz Joseph I. löste 1863/67 "Dem siegreichen Heerführer der Verbündeten in den Kriegen von 1813 und 1814“ das Versprechen seines Großvaters Franz ein, 50 Jahre nach der Leipziger Völkerschlacht. Der Nachfahre Kar(e)l (Fürst zu) Schwarzenberg (Herzog zu Krummau), Kanzler, Außenminister und wohl bald Präsidentschaftskandidat der Tschechischen Republik, hat 1964 eine Biografie des Feldmarschalls verfasst. Das Motto stammt aus Napoleons Mund, vom 14. Dezember 1812, der Fürst sei ein "homme d’honneur“.

Schwarzenbergs kavalleristische Karriere, die ihm alle drei Klassen des Maria-Theresien-Ordens eintrug, begann im Türkenfeldzug Josephs II. 1788/89; mit seinem Waffenbruder Poniatowski erinnerte er sich später an manches Husarenstückchen. In drei Koalitionskriegen lernte Schwarzenberg die Armeen des revolutionären und napoleonischen Frankreich wie des russischen Partners kennen. 1801 vermerkte er den Drill in der Armee des Zaren Paul I., mit dem "die armen Soldaten zwecklos und unsinnig gequält werden“. 1805, nachdem es ihm gelungen war, seine Kavallerie aus dem Kessel von Ulm zu retten, erlebte er bei Austerlitz den Dilettantismus Alexanders I.

Übergang über den Njemen

Warschau, Ehrenhof des Präsidentenpalais: Hier reitet seit 1829, Marc Aurel gleichend, Fürst Józef Poniatowski, mit gezücktem Degen, den Blick zum Denkmal des Unbekannten Soldaten mit der Erde von so vielen Schlachtfeldern in Polen und der Welt. Dieses Reiterdenkmal von der Meisterhand Bertel Thorvaldsens entstand im Vorjahr des Novemberaufstandes 1830/31 gegen die russische Herrschaft - das von den Nationalsozialisten zerstörte Monument wurde 1947 vom dänischen Volk dem wieder erstandenen Polen erneuert. Poniatowskis Geburtshaus war das Palais Kinsky auf der Freyung - der Neffe des letzten polnischen Königs Stanislaus August gehörte durch seine Mutter zur Welt des böhmischen Hochadels. In Prag und Warschau erzogen, repräsentierte der 17-Jährige den polnischen König beim Leichenbegängnis Maria Theresias, die aus der ersten polnischen Teilung Galizien und Lodomerien erworben hatte. Poniatowski nahm regen Anteil am Rettungsversuch der Rzeczpospolita, der Verfassung vom 3. Mai 1791, und stand im bewaffneten Kampf gegen die zweite und dritte Teilung seines Vaterlandes. 1795 bemächtigte sich Österreich Kleinpolens mit Krakau, Lublin und Sandomir als "Westgalizien“. "Polens Ende“, wie Kosciuszko schmerzlich ausrief, schien da. Gegen diese Erbsünde der Monarchien Österreich, Preußen und Russland formte sich Widerstand in den polnischen Legionen, die unter den Fahnen Bonapartes fochten. Józef Wybickis Hymne "Noch ist Polen nicht verloren“, geschrieben 1797 in Reggio nell’Emilia, klang fort - "Marsch, Marsch, Dabrowski, von Italien nach Polen […] Bonaparte hat uns gezeigt, wie wir siegen sollen.“

Beim Übergang über den Njemen im Sommer 1812 proklamierte Napoleon den "zweiten polnischen Krieg“. Der erste polnische Krieg, auch als vierter Koalitionskrieg bezeichnet, hatte 1806/07 die Niederlage der preußischen Militärmacht, der auch das Bündnis mit Russland nicht zu helfen wusste, zur Folge - und die Herstellung eines polnischen Kernstaates. Das Herzogtum Warschau wurde an den bis zuletzt napoleontreuen König Friedrich August von Sachsen gegeben. Es war die Stunde Poniatowskis als Kriegsminister und Armeekommandant. Er bewährte sich im Kriegsjahr 1809, da Österreich nicht nur in Bayern und Tirol, sondern auch in Italien und, wie hierzulande kaum bekannt, in Polen den Angriff auf die Macht Napoleons wagte. An der Weichsel kommandierte Erzherzog Ferdinand aus der Linie Modena d’Este, Schwager von Kaiser Franz. Poniatowski besiegte ihn; im Frieden von Schönbrunn musste Österreich Westgalizien an das Herzogtum Warschau abtreten, der galizische Kreis Tarnopol kam an Russland, das ja seit dem Tilsiter Frieden 1807 mit Frankreich verbündet war. Eigentlich war dies der zweite polnische Krieg, den Napoleon taktvoll verschwieg. In Tschenstochau hängt noch ein großes Votivbild für die Rettung dieses Nationalheiligtums vor den k.k.Truppen. Napoleon stand auf dem Höhepunkt seiner Machtfülle: Schwarzenberg vermittelte als Gesandter in Paris die Vermählung mit Marie Louise. So stellte Österreich gemäß dem Bündnis vom 14. März 1812 ein Korps von 30.000 Mann. Als sich die Katastrophe der Grande Armée im russischen Winter abzeichnete, schrieb Schwarzenberg, er werde "suchen, mich mit Ernst, aber Klugheit wegzumaneuvriren“. Dies gelang: Am 30. Jänner 1813 erfolgte der Waffenstillstand mit den Russen, ein Monat nach Yorks Konvention von Tauroggen.

"Vorwärts, König von Polen!“

Wir eilen voraus nach Leipzig. Am ersten Tag der Völkerschlacht, 16. Oktober 1813, erhob Napoleon Poniatowski zum Marschall von Frankreich, angeblich mit dem Zuruf "Vorwärts, König von Polen!“. Er war es, der mit seinen Polen den Rückzug am 19. Oktober deckte. Zu früh für diese Nachhut wurde die Elsterbrücke gesprengt; der verwundete Fürst stürzte sich mit seinem Pferd in den hochgehenden Fluss und ertrank - 1817 wurde er in der Königsgruft des Wawel beigesetzt. Den Ring des Jugendkameraden brachte man Schwarzenberg: "Die österreichische Armee bedauerte sein Ende.“

Merkwürdig reihen sich an Schwarzenberg-Denkmal und -Palais Erinnerungsstätten, als älteste und lebendigste die Kirche am Rennweg, die seit 1782 der polnischen Adelsgarde gewidmet war, seit 1897 von der Kongregation der Resurrektionisten (1836 in der Pariser Emigration zur Auferstehung Polens gegründet) betreut. Hier steht das Denkmal für die drei Wienbesuche von Papst Johannes Paul II. und das unmittelbar nach dem Flugzeugabsturz von Smolensk (2010) gesetzte Gedenkkreuz für die Opfer von Katyn (1940).

Ein paar Schritte weiter erinnert Metternichs Palais an die Annexion des Freistaates Krakau 1846, ein eklatanter Bruch der Wiener Kongressakte. Und vom Belvedere aus leitete General Józef Bem im Oktober 1848 die Verteidigung des revolutionären Wien gegen die kaiserlichen Truppen, dann führte er den Unabhängigkeitskampf Ungarns. Das Denkmal für die Befreiung Wiens durch die Sowjetarmee mahnt an den Hitler-Stalin-Pakt ebenso wie an die Wiederherstellung Polens, Potsdamer Abkommen, Oder-Neisse-Grenze und Curzon-Linie. Unterdrückung und Befreiung, Untergang und Wiedergeburt - zwischen Schwarzenbergplatz und Rennweg kann man Polens Geschichte in Europa lernen.

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