"Hegeln statt häkeln“

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Die feministische Zeitschrift "Die Schwarze Botin“ lud im Rahmen der Wiener Festwochen zu ihrer letzten Redaktionssitzung und produzierte ein neues Heft.

Totenwache, Abgesang, nostalgische Rückschau oder verzweifelter Wiederbelebungsversuch? Von 1976 bis 1987 war Die Schwarze Botin ein streitbares Magazin für Literatur, Wissenschaft und Politik und verband namhafte Autorinnen von Westberlin, Wien bis Paris. Mit dem Beinamen "schwarz“ sollte die satirische Seite des Magazins hervorgehoben werden, denn viele Texte waren nicht nur Bestandsaufnahmen des feministischen Diskurses der Zeit, sondern auch tiefschwarze humorige Bonmots von literarischen Ausnahmeerscheinungen, wie Elfriede Gerstl, Elfriede Jelinek oder Liesl Ujvary.

Poetisch-politische Performance

Regisseurin Barbara Ehnes versammelte ehemalige Schreiberinnen und Redakteurinnen zusammen mit jungen Feministinnen zu einer erneuten Auseinandersetzung mit dem Heft. Daraus entstand sowohl eine poetisch-politische Performance, als auch eine neue Heftnummer mit dem Titel "Le dernier cri - Der letzte Schrei“, die mit dem Programmheft gleich mitgeliefert wurde.

Der Aufschrei, der gerne auf Forderungen der Frauenbewegung folgt, ist vielleicht leiser geworden, für Aufsehen sorgen die Diskussionen um Gleichberechtigung immer noch. Zuletzt etwa der Beschluss der Uni Leipzig, nur mehr die weibliche Form für ihre universitäre Grundordnung zu verwenden oder die jüngste barbusige Femen-Aktion "Germany’s next Topmodel“.

Auf der Bühne wurden die Positionen von damals und die Ideen von heute entlang von Texten der letzten Ausgabe neu verhandelt. Dafür lässt Ehnes zu Beginn die Geschichte der Frauenbewegung auf Videoleinwänden Revue passieren. Die junge Generation der dritten Frauenbewegung (Doris Arztmann, Silke Graf und Katharina Serles) hat da bereits am Redaktionstisch Platz genommen und schreibt sich gegenseitig fleißig Kommentare im virtuellen Chatroom. Nach und nach kommen auch die ehemaligen Redaktionsmitglieder Mona Winter, Ginka Steinwachs, Heidi von Plato und Marina Auder auf die Bühne. Mittendrin die unverwechselbare Ujvary auf einer eigens für sie geschaffenen Soundinsel, mit der sie allzu langatmige Debatten durch akustische Stolpersteine unterbricht.

Die Schriftstellerin Ginka Steinwachs gibt ihre wunderbaren Sprachspiele und Miniperformances zum Besten: ein aufblasbarer Mund, der mit der Aufforderung "Halten Sie den Mund, bitte“ durchs Publikum wandert, oder ein satirischer Blick auf das fragile "Wir“-Konstrukt innerhalb der Frauenbewegung ("Lass uns ab und zu ein Wirchen trinken“). Dazwischen folgt ein Marathon aus Zitaten von Roland Barthes, Elfriede Jelinek oder Georg Wilhelm Friedrich Hegel ("lieber hegeln statt häkeln“, so einer der Slogans im Programmheft).

Das beherzte Eingreifen Ujvarys verhindert Ermüdungserscheinungen. Einige weitere Regieeinfälle wollen dagegen nicht so recht zünden, wie etwa die angedeutete Tortenschlacht oder der gemeinsame Solidaritätsrap am Ende des Stücks. Die Inszenierung lebt von der Authentizität ihrer Protagonistinnen und dem ernsthaften Bestreben, Ideen, Meinungen und Wissen zwischen den Generationen auszutauschen.

Mit Witz und Augenzwinkern

Die Diskussionen um Unterdrückung und Gleichberechtigung sind komplexer geworden und nicht mehr ausschließlich auf Geschlechterverhältnisse beschränkt, sondern beziehen auch die Diskriminierung von Menschen aufgrund von Alter, Rasse oder Behinderung ein. Das macht es aber auch schwieriger, Antworten jenseits dichotomer Schuldzuweisungen zu finden.

Es bleibt also noch genug zu tun, sowohl für die junge Generation engagierter Frauen als auch für die alteingesessenen Botinnen, die ihren wohlverdienten Ruhestand kurzerhand zum Unruhestand erklären, und die in diesem inszenierten Aufeinandertreffen den gegenwärtigen Herausforderungen mit viel Witz und Augenzwinkern begegnen.

Die Schwarze Botin

Schauspielhaus Wien

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