Heilige Texte aus Antike und Mittelalter

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So unterschiedlich sich die drei monotheistischen Weltreligionen auch entwickelt haben mögen: In ihrer Ursprungserzählung rekurrieren alle drei auf die Gestalt des Abraham, zu dessen Nachkommenschaft sich die Gläubigen jeweils zählen. Die Bibel, die in ihrem ersten Buch die Geschichte von Abraham erzählt, ist für das Judentum ebenso konstitutiv wie für das Christentum. Letzteres kennt neben der Hebräischen Bibel, die für die Christen "Altes Testament" heißt, noch die durch Jesus Christus geoffenbarte Schrift, das Neue Testament. Auch für die Muslime ist die Bibel ein heiliges Buch, sie lesen es allerdings durch die "Brille" des Koran, der für sie das von Gott geoffenbarte Wort darstellt.

Aber Abraham ist allen drei gemeinsam. Und so nimmt sich die derzeitige Sonderausstellung im Papyrusmuseum der Österreichischen Nationalbibliothek auch die "Kinder Abrahms" zum Ausgangspunkt, um aus ihren Beständen über "Die Bibel in Judentum, Christentum und Islam" zu erzählen. Bekanntlich beherbergt die Nationalbibliothek mit mehr als 180.000 Objekten eine der größten Papyrussammlungen der Welt, die seit 2001 auch zum UNESCO-Weltdokumentenerbe zählt. Naturgemäß sind die oft nur als Bruchstücke oder Fragmente erhaltenen Papyri eher sperrige Schauobjekte, bloß ein Bruchteil davon kann ausgestellt werden und muss eingebettet sein in einen inhaltlichen Zusammenhang. Genau dem wird diese Schau mehr als gerecht.

Von der Hebräischen Bibel bis zum Koran

Die Hebräische Bibel, das älteste der Bücher der drei Weltreligionen, ist nur in Abschriften erhalten, zum Teil in der griechischen Übersetzung der Septuaginta, die ab dem dritten vorchristlichen Jahrhundert entstand. In der Schau des Papyrusmuseums sind ein Fragment des Buches Jesaja aus dem dritten Jahrhundert sowie Psalm-Teile aus dem fünften Jahrhundert zu sehen. Derart alte Textzeugnisse sind selten. Der Kanon der Hebräischen Bibel wurde von jüdischen Schriftgelehrten, den Masoreten, erst Ende des ersten nachchristlichen Jahrhunderts festgelegt. Masoretische Texte sind allerdings nur in mittelalterlichen Abschriften erhalten -solch eine ist auch in der Ausstellung zu sehen (vgl. dazu auch die Abbildung oben rechts).

Das -christliche -Neue Testament wurde im zweiten Jahrhundert kanonisiert, indem der Hebräischen Bibel die vier Evangelien, die Apostelgeschichte, die Briefe, die Paulus und anderen Aposteln zugeschrieben wurden, sowie die Offenbarung des Johannes hinzugefügt wurden. Hier kann die Schau im Papyrusmuseum mit besonders kostbaren Stücken aufwarten: So ist etwa ein Fragment aus dem so genannten Chester Beatty Codex zu sehen, einer koptischen Handschrift aus dem dritten Jahrhundert, welcher die bislang älteste bekannte Aufzeichnung des Matthäusevangeliums darstellt (vgl. Abb. oben links). Eine andere Kostbarkeit stellt die koptische Paraphrase der Vorkindheitsgeschichte Jesu aus dem neunten Jahrhundert dar, die von Überlegungen Josefs berichtet, die schwangere Maria zu verlassen: Diese Geschichte findet sich so nicht in der Bibel.

Im Gegensatz zur Bibel, die in einem langen Kanonisierungsprozess entstand, wurde der Koran im siebten Jahrhundert aufgezeichnet. In der Ausstellung sind frühe Koranhandschriften zu sehen -darunter auch ein Fragment aus dem achten Jahrhundert, das direkt auf biblische Texte Bezug nimmt, wenn auch in der Ablehnung derselben: So heißt es in diesem Fragment aus Sure 10, dass Gott sich keinen Sohn genommen habe. In anderen Exponaten der Ausstellung wird aber deutlich, dass der Koran sich nicht als "Gegenbuch" zur Bibel versteht, sondern als deren Weiterschreibung, sodass dort auch viele biblische Motive Eingang fanden - etwa in einer arabischen Handschrift vom Ende des ersten Jahrtausends, wo das Paradies als ein Garten dargestellt wird (vgl. dazu auch das Motiv des Lebensbaums, Abb. rechts unten).

Gegenseitige Befruchtung dreier Religionen

Im Lauf des Mittelalters wurde auch die gegenseitige Befruchtung der drei Religionen evident -diesem Aspekt trägt die Ausstellung gleichfalls Rechnung. So entwickelten sich die ersten illuminierten hebräischen Bücher im zehnten Jahrhundert im Nahen Osten; sie zeigen dabei unverkennbar Verwandtschaft mit der sich gleichfalls entwickelnden Tradition der Koran-Handschriften. Den Abschluss der Ausstellung bildet ein dreisprachiges Messbuch mit einem griechischen Bibeltext und seiner koptischen Übertragung aus dem zehnten Jahrhundert, dem im 13. Jahrhundert noch eine arabische Übersetzung beigefügt wurde. Die Ausstellung im Papyrusmuseum eröffnet dem Besucher Einblicke in ein sonst wenig zugängliches Forschungsgebiet. Und sie zeigt Schaustücke, die Zeugnis davon ablegen, welche Schätze in der Wiener Papyrussammlung verborgen sind. Für Interessierte ist zusätzlich der vom Wiener Judaisten Armin Lange und dem Direktor der Papyrussammlung der Nationalbibliothek, Bernhard Palme, herausgegeben Katalog zur Ausstellung, in dem neben der Erläuterung der 98 Exponate auch wissenschaftliche Beiträge zum Thema versammelt sind, sehr zu empfehlen.

Kinder Abrahams Die Bibel in Judentum, Christentum und Islam. Papyrusmuseum der Österr. Nationalbiliothek, 1010 Wien, Heldenplatz (Neue Burg), www.onb.ac.at Bis 11. Jänner 2015

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