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Warum die Jury-Entscheidung falsch war - und die Stadt Düsseldorf ihr trotzdem folgen müsste.

Peter Handke als Heine-Preisträger - eine aberwitzige Jury-Entscheidung. Literarisch, da Handke das Gegenteil von Heines Ironie verkörpert. Und politisch, weil man sich Heine wohl kaum am Grab eines Staatsmannes vorstellen kann - von einem Kriegsverbrecher wie MilosÇevic´ gar nicht zu reden. "Eigensinnig wie Heinrich Heine verfolgt Peter Handke in seinem Werk seinen Weg zu einer offenen Wahrheit. Den poetischen Blick auf die Welt setzt er rücksichtslos gegen die veröffentlichte Meinung und deren Rituale" - mit diesen dürren Sätzen begründete die Jury ihre Entscheidung. Als ob Eigensinn schon an sich preiswürdig wäre. Als "eigensinnig" könnte man ja sogar den hartnäckigen Holocaust-Leugner David Irving bezeichnen. Und Eigensinn in Kombination mit "rücksichtslos"...

Aber nach dem Desaster in Düsseldorf wagt man das kaum mehr zu schreiben, will man nicht zum Claqueur politischer Zensur werden. Denn trotz allem: Eine Jury kann man kritisieren, aber ihrer Entscheidung ist zu folgen. Wer Ausnahmen zulässt, hat kein Kriterium mehr, dass nicht Politiker vom Schlag eines Jörg Haider jede Jury-Entscheidung aushebeln, die ihnen nicht passt.

In Düsseldorf haben sich die Politiker, die jetzt das Preisgeld für Handke nicht zur Verfügung stellen wollen, in einer Provinzposse selbst entlarvt: Fünf Mitglieder des Stadtrates haben der Jury angehört, der sechste Politiker, Kulturstaatssekretär Hans-Heinrich Grosse-Brockhoff (cdu) als Vertreter des Landes Nordrhein-Westfalen, hat an der entscheidenden Sitzung gar nicht teilgenommen. Ein schwerer Streit mit Düsseldorfs Oberbürgermeister Joachim Erwin (ebenfalls cdu) war ihm wichtiger als der im Heine-Jahr auf 50.000 Euro aufgestockte Preis. Selbstverständlich ist Grosse-Brockhoff jetzt gegen die Zuerkennung an Handke. Sein Kontrahent, der Bürgermeister, hat diesem bereits telefonisch zum Preis gratuliert - bevor die Zustimmung des Stadtrates gegeben war. Solche Politiker entscheiden über einen der bedeutendsten Literaturpreise Deutschlands!

Alle Juroren haben den Jury-Entscheid für Handke unterschrieben - was einige nicht hindert, sich jetzt dagegen auszusprechen und die zu jeder Jury-Arbeit gehörende Verschwiegenheit zu brechen. Sigrid Löffler und Jean-Pierre Lefèbvre treten mit Recht aus der Jury aus: "Einer Jury, die nicht zu dem steht, was sie selbst beschlossen hat, wollen wir nicht mehr angehören. Einer Stadt, die unabhängige Fach-Juroren beruft und sie dann politisch desavouiert, können wir nicht mehr zur Verfügung stehen."

Voraussehbares Szenario: Das Stadtparlament wird am 22. Juni der Preisvergabe an Handke wohl nicht zustimmen - dass das überhaupt notwendig wäre, gehört zur Grund-Absurdität dieses Preises. Und am 13. Dezember (Heines Geburtstag) wird es wohl keinen Preisträger geben, denn wem soll man den nachhaltig ramponierten Preis jetzt auf die Schnelle verleihen?

Und Peter Handke? Der ist nachhaltig beschädigt. Und hat sich und sein Werk zuvor längst selbst beschädigt: durch seinen Auftritt beim MilosÇevic´-Begräbnis und nicht zuletzt durch den dreistündigen Besuch im holländischen Gefängnis dieses Politikers. Was die oft reflexartig einrastende Handke-Kritik dabei übersieht: Nicht die Parteinahme für Serbien ist Handke anzukreiden, denn damit hat er sich zurecht gegen die mediale Abstempelung des Landes und gegen Vorurteils-Schablonen gestellt. Aber dass er Serbien mit MilosÇevic´ identifiziert und sich keinen Deut um Dichterkollegen wie Bora C´osic´ kümmert, die seit Jahren unter größten Schwierigkeiten für ein anderes, demokratisches Serbien stehen, ist unentschuldbar. "Ich weiß, dass ich die Wahrheit nicht kenne, doch ich blicke herum, höre zu, empfinde, erinnere mich", hat Handke beim MilosÇevic´-Begräbnis gesagt. Dass das genügt, ist der Grundirrtum seiner Serbien-Texte. Ohne das mühsame Hinuntersteigen in das Dickicht historisch-politischer Fakten - durchaus auch gegen die von Handke nicht immer grundlos gehassten Medien - ist die "offene Wahrheit", von der die Düsseldorfer Jury gesprochen hat, nicht zu haben. Mit den jüngsten Antworten an seine Kritiker bewegt sich Handke in diese Richtung. Heine-Qualität haben sie noch lange nicht.

cornelius.hell@furche.at

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