Heiter bis vordergründig

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Nielsens "Maskerade" und Verdis "Trovatore" bei den 60. Bregenzer Festspielen.

Ein Klassiker des Musiktheaters auf der Seebühne, eine Rarität im Festspielhaus - diese seit Jahren bewährte programmatische Linie setzen die Bregenzer Festspiele auch im 60. Jahr ihres Bestehens fort: Intendant David Pountney hat für sein erstes allein verantwortetes Jahr Giuseppe Verdis "Trovatore" open air, Carl Nielsens "Maskerade" indoor angesetzt.

Bei Nielsens 1906 uraufgeführter, hierzulande kaum bekannter "Maskerade" - in der dänischen Heimat des Komponisten eine Nationaloper - handelt es sich um ein bekömmlich heiteres Werk mit einer melodiösen Musiksprache und einer geschickt gestrickten Handlung: Ein gestrenger Kopenhagener Bürger verbietet Sohn und Ehefrau den Besuch eines Maskenfestes, folgt den sich listig Widersetzenden höchstpersönlich zur Maskerade und findet dort schließlich den Sohn in den Armen genau jener Frau, mit der er ihn ohnehin verheiraten wollte.

Ironie und Tempo

Eine vielleicht zu harmlos simple Handlung für heutige Theatermacher, nicht aber für den Bregenzer Hausherrn, der die Geschichte mit Sinn für Ironie und Tempo, dazu eine Fülle köstlicher Ideen - in einem stimmungsvoll wandlungsreichen Bühnenbild von Johan Engels mit prachtvoll aufwendigen Kostümen von Marie-Jeanne Lecca - auf die Bühne gebracht hat. Nur der dritte Akt, das Maskenfest, hing trotz flotter Choreografie von Renato Zanella durch - ein Schwachpunkt der sonst durch enorme Spielfreude der Solisten überzeugenden Produktion; der andere: die Textverständlichkeit der deutschen Übersetzung. Dies betraf weniger den sonoren Günter Missenhardt als gestrengen Jeronimus, die mezzoüppige Julia Juon als dessen Frau Magdelone, Martin Winkler als Korporal Mors, Adrian Thompson als Knecht Arv und Ernst D. Suttheimer als Leonard, sehr wohl aber die Figuren des Dieners Henrik (Markus Brück mit trockenem Charakterbariton), des jungen Liebhabers Leander (Daniel Kirch, optisch herzig, aber mit wenig Schmelz und mäßiger Höhenstrahlkraft) und der Geliebten Leonora (Barbara Haveman mit angenehm strömendem, rundem Sopran). Dirigent Ulf Schirmer wechselte, gut die Balance zwischen Bühne und Graben haltend, gekonnt zwischen feiner Lyrik und robustem Zugriff, die Wiener Symphoniker folgten mit Elan und klanglicher Finesse.

Liebe in der Ölraffinerie

Ähnliches gilt in orchestraler Hinsicht auch für das "Spiel auf dem See": Dank einer neuen Beschallungstechnologie klang das Orchester, das erstmals aus dem Festspielhaus begleitete, natürlicher und aufgefächerter als in den Jahren zuvor. Fabio Luisi am Pult erwies sich als hervorragender Sachwalter Verdis - ungemein brioreich, aber auch lyrisch ausgekostet erklangen die Melodien aus dem "Trovatore", gesanglich in der vierten, von Regengüssen begleiteten Aufführung aber nicht von allen Solisten zufriedenstellend vorgetragen: So fehlte es Scott Hendricks als Graf Luna erheblich an Höhensouveränität und Mikhail Davidoff als Manrico mit breithubigem Vibrato an eleganter Italianitá. Marianne Cornetti gab eine effektvolle Azucena mit Aplomb und fulminanten Höhen; die vom Timbre interessanteste Stimme ließ aber Tatjana Serjan als Leonora ertönen: ein blühend rund geführter Sopran, mit sicheren Höhen und gutem Legato. Ein tadelloser Ferrando war Giovanni Parodi, stimmstark und bestens studiert präsentierten sich der Kammerchor Moskau und der Bregenzer Festspielchor.

Regisseur Robert Carsen hat die Handlung in eine heutige Ölraffinerie verlegt, wozu ihm Bühnenbildner Paul Steinberg eine tonnenschwer imposante Industrieanlage auf der Seebühne errichtete. Massenszenen ließen sich darin wirkungsvoll im Breitwandformat arrangieren, die vom Regisseur intendierten Machtkonflikte effektvoll darstellen. Doch besteht Verdis Oper auch aus intimen Momenten, zu denen Carsen reichlich wenig zu sagen hatte. Dass auch über die gewaltigen Dimensionen der Seebühne bewegende Gefühle vermittelt werden können, hat die vergangene "West Side Story" bewiesen, bei diesem "Trovatore" hingegen dominierten die imposanten, vordergründigen Effekte.

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