Heiterkeit in Reichenau

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"Der Theatermacher" von Thomas Bernhard als Festspielerfolg.

Er nennt sich in einem Atemzug mit Shakespeare, Voltaire und Goethe. Er demütigt Frau und Kinder und erzwingt ihre Anerkennung für seine Kunst. Der ehemalige Staatsschauspieler Bruscon tingelt mit seinem eigenen Werk "Das Rad der Geschichte" durch die tiefste Provinz, strotzt aber nach außen von Selbstbewusstsein und Verachtung für andere Menschen, vor allem für Frauen und insbesondere die eigene. "Der einzige Reiz an dir ist der Hustenreiz" schleudert er ihr ins Gesicht, das er später auch noch mit schwarzer Schminke verunstaltet. Dieser "Theatermacher" ist eine typische Thomas-Bernhard-Figur, hemmungslos im Austeilen, sich selbst aber nie, allenfalls allein im stillen Kämmerlein, in Frage stellend.

Was Bernhard hier wie so oft auf die Bühne stellt, die menschliche Neigung zum Größenwahn, zur Egozentrik, zum Schikanieren der Umgebung, und zwar ohne Anflug von Bereitschaft zur Selbstkritik, stimmt das Eröffnungspublikum der Festspiele in Reichenau an der Rax eher heiter als nachdenklich. Manche, vielleicht viele, unterhalten sich blendend und sind nach der Vorstellung vermutlich entspannt wie nach einem Feydeau. Das ist doch alles maßlos übertrieben und geht uns persönlich nichts an. So sind wir doch gar nicht, naja, ein kleines bisschen vielleicht schon, na und?

Dabei holt die präzise Inszenierung Helmut Wiesners im gelungenen Bühnenraum von Peter Loidolt und in den in allen Fällen passenden Kostümen von Erika Navas die Qualitäten des Stückes gut an das von John Lloyd Davies gestaltete Licht. Wolfgang Hübsch in der Titelrolle erweist sich einmal mehr als grandioser Bernhard-Darsteller und lässt bisweilen auch den Menschen hinter dem leicht zur reinen Kunstfigur geratenden Theatraliker Bruscon erkennen.

Als dessen Frau leidet Marianne Nentwich in einer stummen Rolle, aus der gegen Ende ein beredtes Lachen hervorbricht. Michael Rotschopf, kaum zu erkennen als Sohn Ferruccio, und Mirjam Slamar als Tochter Sarah wirken von Anfang an als Opfer des Vaters, geistig und körperlich geschädigt.

Wortkarg und scheinbar unerschüttert lässt Hermann Scheidler als Wirt die - auch ihn immer wieder beleidigenden - Tiraden des Theatermachers über sich ergehen. Wie Bruscon ist er der Patriarch seiner Familie. Eva Fichte darf als Wirtin Suppe servieren, Nina Blum als Wirtstochter gekonnt Staub aufwirbeln.

Viel Beifall bei der Premiere, laute Bravos für Wolfgang Hübsch.

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