Held von gestern für morgen

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James Bond war als Kinomythos schon in Gefahr, weshalb der neueste Film "Skyfall“ ein Zurückfallen in alte Klischees probt.

James Bond war immer schon ein bisschen wehmütig. Schon im unterschätzten Bond-Abenteuer "Im Geheimdienst Ihrer Majestät“ (1969), in dem George Lazenby die schwere Nachfolge von Sean Connery antrat (und nur einmal 007 spielte), gibt es eine Retro-Szene: Darin packt Bond allerlei Gadgets aus den vergangenen Filmen hervor, etwa die Uhr mit dem ausziehbaren Drahtseil aus "Liebesgrüße aus Moskau“ (1963) oder die Mini-Sauerstoffflaschen aus "Feuerball“ (1965). Aus dem Off erklang dazu kurz die jeweilige Titelmusik der Filme. Mit Retrospektiven kannten sich die Macher der 007-Filme also sehr früh aus, und nichts lag daher näher, als für "Skyfall“ zum 50. Geburtstag der Filmreihe tief in der Schatzkiste der Selbstreferenzen zu wühlen.

Als man Bond 1995 im Reboot der damals daniederliegenden Serie erstmals eine Frau als Chefin M vorsetzte, gespielt von Judi Dench, da jubelte das Lager jener, die in Bond schon immer einen chauvinistischen Übermann sahen, der flachlegte, was immer sich ihm in den Weg stellte. Frauen bettete er auf Federkern, männliche Gegner streckte er mit seiner Walther PPK nieder. Dieser knallharte Killer hat in Daniel Craig seine brutal-kantige Entsprechung gefunden, das war bereits in dessen Debüt "Casino Royale“ (2006) erkennbar. Doch nach dem chaotischen Action-Flop "Ein Quantum Trost“ drohte auch diese Neuerfindung in öder Bedeutungslosigkeit zu versinken.

Ein bedeutender Rückschritt in Bonds Vergangenheit

Aber man zieht die Notbremse: "Skyfall“ macht einen bedeutenden Rückschritt in Bonds Vergangenheit: Einerseits scheinen die Tage seiner Vorgesetzten Judi Dench gezählt, weil man ihr im Secret Service Amtsmissbrauch vorwirft. Andererseits treibt der böse Schurke Silva (Javier Bardem) Bond dazu, zum Ort seiner Kindheit, in ein einsam und frei stehendes Haus hoch droben in Schottland, zurückzukehren. Ein Platz, "den ich schon immer gehasst habe“, sagt Bond, und man erfährt dabei mehr Privates über Bond, als man eigentlich wissen will. Trotz einer 15-minütigen Eröffnungssequenz mit Action auf einem türkischen Bazar und einem fahrenden Zug mündet "Skyfall“ letztlich in Retro-Flair: Bond ist am Ende mehr Macho-Killer denn je, und all die Ingredienzien der ganz frühen Abenteuer sind wieder da, bis hin zum holzgetäfelten Vorzimmer mit Hutständer und Miss Moneypenny und der rot gepolsterten Tür zum Chef.

Wahre Helden mussten in den Kinofilmen der 80er-Jahre muskelbepackt wie Rocky und Rambo sein; ab den 90er-Jahren wurden sie wieder schlanker, aber ihr Ego stand unter dem Dauerbeschuss der Political Correctness: Sie durften Frauen zwar retten, aber die dummen Macho-Sprüche waren passé. Oder wurden zumindest entsprechend kommentiert.

Mit "Skyfall“ ist wieder Ruhe im aufgewühlten Macho-Land eingekehrt: Der Held ist hier ein knallharter Typ, der zwar eine selbstreflexive, nachdenkliche Seite hat, aber hemmungslos Whisky säuft und durch diverse Betten steigt. Nur rauchen tut er nicht.

Diese Rückkehr in alte Klischees setzt sich in "Skyfall“ auch bei der Wahl von Bonds Gegenspieler fort: In dem Schurken Silva keimt die Extravaganza früherer Bond-Villains wieder auf; er ist ein schriller, verrückter Vogel (der Bond sogar homoerotische Avancen macht, was tatsächlich neu für die Reihe ist), ein Charakter zwischen Genie und Wahnsinn, mit dem Unterschied, dass er nicht wie etwa Blofeld die Welt beherrschen oder zerstören will, sondern bloß an persönlicher Rache interessiert scheint. Auch das macht den Kampf, den Bond hier ausficht, viel privater, und man muss nie fürchten, dass diesem Silva "die Welt nicht genug“ wäre.

Sam Mendes hat in seiner Inszenierung "Skyfall“ zu einem Retro-Bond gemacht, in dem auch Monty Normans alter Bond-Score knarzt, als stamme er von einer Tonspur aus den 60ern. Dass Bond dabei die Möglichkeit zur Selbstreflexion erhält, ist tatsächlich ungewöhnlich für die Reihe, aber als geläuterter Mann geht er trotzdem nicht aus dem Spektakel hervor. Dafür ist James Bond viel zu sehr ein Held der heutigen Zeit, die so frappant der damaligen ähnelt: Er wird, nach Suspendierung und Burn-out am Ende wieder mit großer Freude für die britische Krone spionieren - weil ihm Begriffe wie Vaterland und Heimat ähnlich große Anliegen sind wie Lasterhaftigkeit und Vielweiberei. Wer weiß, vielleicht darf dieser Retroheld im nächsten Film auch endlich wieder rauchen.

Skyfall

GB, USA 2012. Regie: Sam Mendes

Mit Javier Bardem, Daniel Craig, Judi Dench. Sony. 140 Min.

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