Helga Rabl-Stadler: "Ich habe keine Angst vor der Macht... "

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Helga Rabl-Stadler, Präsidentin der Salzburger Festspiele, über die Chance, die richtigen Fragen zu stellen, und die Bedeutung der Festspiele in wurzellosen Zeiten.

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Helga Rabl-Stadler, Präsidentin der Salzburger Festspiele, über die Chance, die richtigen Fragen zu stellen, und die Bedeutung der Festspiele in wurzellosen Zeiten.

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Die Salzburgerin Helga Rabl-Stadler ist seit 1995 Präsidentin der Salzburger Festspiele. Für die einstige Journalistin und Politikerin ist der Pianist Markus Hinterhäuser ihr sechster Intendant. Sie schätzt seinen Teamgeist, die anhaltende Aufbruchstimmung und wünscht sich im Interview mit der FURCHE, dass die Festspiele im Jubiläumsjahr 2020 ein kräftiges Zeichen für die Zukunft setzen.

Die Furche: Die Produktionen wurden bisher, auch dort, wo es Kritik gab, überaus freundlich aufgenommen. Haben Sie diese euphorische Stimmung erwartet?

Helga Rabl-Stadler: Ich habe sie mir erhofft, nicht in solchem Ausmaß erwartet. Auch der Kartenverkauf übertrifft meine Hoffnungen. Es zeigt, wie wichtig und richtig die langen Gespräche waren, in denen der Intendant mit den Künstlern seine programmatischen Ideen entwickelt hat und wie gut Markus Hinterhäuser auch das Publikum mitnehmen kann. Wir sind gemeinsam ein Jahr durch die Lande gezogen und haben den Menschen Mut zu Neugier statt Altgier gemacht.

Die Furche: Worin unterscheidet sich Hinterhäuser von den zahlreichen Intendanten, mit denen sie schon zusammengearbeitet haben?

Rabl-Stadler: Er ist ein wunderbarer Team- und Netzwerker. Er hat die große Fähigkeit Menschen zusammenzubringen. Musiker und Sänger mit Regisseuren, aber auch die Künstler mit dem Publikum. Und durch seine Arbeit mit dem Regisseur Christoph Marthaler und später in den Wiener Festwochen versteht er viel vom Theater. Er ist niemals eifersüchtig auf den Erfolg anderer Künstler. So wie unsere Eröffnungsproduktion "La clemenza di Tito" mit Teodor Currentzis und Peter Sellars träumt er sich seine, unsere Festspiele.

Die Furche: Macht ist das übergeordnete Thema der Festspiele. Wie ist denn ihr persönliches Verhältnis zur Macht?

Rabl-Stadler: Ich habe keine Angst vor der Macht, denn sie gibt mir die Möglichkeit zu gestalten. Ich gehöre nicht zu denen, die sich die Ohnmacht herbeisehnen.

Die Furche: Nun ist Macht in der Politik derzeit in der Stadt Salzburg ein aktuelles Thema. Was sollte man bei der Machtausübung vermeiden?

Rabl-Stadler: Den Machtmissbrauch. Es sollte einem klar sein, dass Macht nur etwas Geliehenes ist, deren Gebrauch man immer rechtfertigen muss. Sowohl gegenüber seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern als auch gegenüber den Geldgebern.

Die Furche: Was ist die wichtigste Aufgabe der Festspiele in Zeiten des Umbruchs und des Zerfalls alter Strukturen? Einer Zeit, die nicht so tragisch, aber doch nicht ganz unähnlich jener ist, in der die Festspiele gegründet wurden?

Rabl-Stadler: Zum Glück ist es nicht so ernst wie bei der Gründung am 1. August 1917 vor 100 Jahren in Wien im Musikverein. Es war ja fast verrückt, dass man in einer Zeit, in der Hunger und Not herrschten und man nicht wusste, wie der Erste Weltkrieg ausgehen würde, diesen Mut hatte, an die Kraft der Kunst zu glauben. Wir, die wir oft so kleinmütig sind, sollten uns das vor Augen halten. Wer sich erwartet, dass die Festspiele Antworten geben auf die großen Themen unserer Zeit, den müssen wir enttäuschen. Die Künstler sind nicht klüger als der Rest der Bevölkerung. Aber wir haben die Chance, die richtigen Fragen zu stellen und wir stoßen damit auf offenere Ohren, Augen und Herzen als das Repertoiretheater. Denn unsere Gäste kommen nach Salzburg mit dem festen Vorsatz, sich von der Kraft der Kunst mitreißen zu lassen. Das ist schon etwas anderes, als wenn man abends nach seinem Beruf in der Großstadt in die Oper oder in ein Konzert hetzt. Wir haben die Chance, ein Ereignis zu kreieren, das weit in den Alltag nachklingt.

Die Furche: Können die Festspiele etwas zur Identität Österreichs innerhalb Europas beitragen?

Rabl-Stadler: Davon bin ich überzeugt. Deshalb wurden sie auch gegründet in diesem geschundenen Österreich. "Österreich ist das, was übrigbleibt", hat der französische Staatsmann Georges Clemenceau gesagt. Es ging damals darum, den Leuten zu zeigen, dass wir zwar Territorium verloren, aber die kulturelle Größe behalten haben. Ich glaube, dass die Festspiele gerade in diesen wurzellosen Zeiten eine große Aufgabe haben.

Die Furche: Und in Zeiten, in denen Worte wie Heimat in Misskredit gekommen sind. Ist das nicht gefährlich?

Rabl-Stadler: Es gibt leider durch unsere verheerende Nazi-Vergangenheit so viele dieser Worte wie etwa Heimat, Treue oder Pflicht. In Wirklichkeit sind das wunderbare Begriffe und die lassen wir uns auch nicht wegnehmen. Heimat darf nicht Enge, sondern muss Geborgenheit bedeuten.

Die Furche: Sollte nicht das spezifisch Österreichische mehr in den Festspielen verankert sein?

Rabl-Stadler: Ich bin überzeugt, dass das Österreichische bei uns sehr wichtig ist, denn das erwarten sich auch unsere Besucher. Die österreichischen Künstler müssen bei uns eine Plattform haben.

Die Furche: Das Schauspiel ist in der Felsenreitschule ebenso weggefallen wie die Opernaufführungen im Residenzhof. Ist das nicht mehr finanzierbar?

Rabl-Stadler: Bereits Präsident Bernhard Paumgartner hat den Residenzhof für die Serenaden entdeckt. Er soll 2020 wieder bespielt werden. Allerdings gibt es ein finanzielles und logistisches Problem. Wir ließen ein wetterfestes Dach errichten, das leider den akustischen Anforderungen nicht entspricht. Für die Felsenreitschule hatte sich Sven-Eric Bechtolf als Schauspielchef vertraglich zusichern lassen, dass sie einmal in fünf Jahren für ein Theaterprojekt zur Verfügung steht. Wenn das ein gutes und wichtiges Projekt ist, werde ich das auch künftig unterstützen.

Die Furche: Ist es eigentlich bei den relativ hohen Eintrittspreisen ein Problem, dass es vor allem für Konzerte immer weniger charismatische, zugkräftige Künstler gibt?

Rabl-Stadler: Sie haben völlig recht. Die Solistenabende sind nicht mehr so leicht zu gestalten. Künstler wie die Pianisten Alfred Brendel oder Maurizio Pollini, die das große Festspielhaus füllen, findet man nicht jeden Tag.

Die Furche: Ihr Vertrag läuft bis 2020. Wofür wollen Sie sich vor allem einsetzen?

Rabl-Stadler: Dass wir 2020 beweisen, die Festspiele leben nicht von ihrer Vergangenheit, sondern setzen ein kräftiges Zeichen für die Zukunft. Ich möchte mich aber auch besonders für die immer schwieriger werdende Suche nach Sponsoren einsetzen. Ich bin sozusagen die Außenministerin der Festspiele. Die Suche und Pflege von Sponsoren und Mäzenen ist mein wichtigstes Aufgabengebiet. Es ist schwieriger geworden, weil die Zentren der Unternehmen sich weit entfernt von Österreich befinden. Wir haben aber -im Gegensatz zu anderen Festivals - das große Glück, dass wir Global Player sind, also ein Kulturbetrieb, zu dem Gäste aus über 70 - davon 35 nichteuropäischen - Ländern kommen. Für unsere Sponsoren wie Nestlé, Audi, Siemens oder Rolex ist nicht der österreichische Markt, sondern der asiatische und amerikanische wichtig.

Die Furche: Bereitet Ihnen Ihre Arbeit auch nach so vielen Jahren noch Freude?

Rabl-Stadler: Eine sehr große. Mein Vater, Gerd Bacher, hat einmal gesagt, dass ich ein Kind des Glücks bin, dass ich das überhaupt machen darf.

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