Werbung
Werbung
Werbung

Der Krisenstaat Griechenland hat für ein halbes Jahr den EU-Ratsvorsitz inne. Es wird - wie man sagt - eine spartanische Präsidentschaft werden.

Ab Januar führt Griechenland für sechs Monate den Vorsitz im Ministerrat der Europäischen Union. Trotz der Euro-Schuldenkrise, die in Griechenland 2009 begann und das Land immer noch fester in ihrem Griff hat als jedes andere Problemland, soll die Präsidentschaft ein Erfolg werden, verspricht Außenminister Evangelos Venizelos.

Ein stilisiertes Segelboot auf blauem Hintergrund, der Nationalfarbe Griechenlands, die an Himmel und Meer erinnert - das Logo der griechischen Präsidentschaft wirkt schlicht, nicht großspurig. Außenminister Venizelos liest aus den einfachen Formen aber viel heraus: Das vom Wind geblähte Segel symbolisiere "Optimismus“, und im Halbrund, das den Rumpf des Bootes darstellt, erkennt Venizelos nicht nur das Europäische Parlament wieder, sondern auch den Grundriss des Theaters der griechischen Antike.

Neben schönen Deutungsmöglichkeiten hat das abstrakte Logo vor allem einen Vorteil: Es war billig. 12.000 Euro zahlte das griechische Außenministerium der renommierten Agentur Beetroot für das Design. Zum Vergleich: Deutschland ließ sich sein Präsidentschafts-Markenzeichen 100.000 Euro kosten. Überhaupt ist Sparen angesagt. Rund 80 Millionen Euro koste eine EU-Präsidentschaft normalerweise, sagen Insider. Irland, ebenfalls von der Krise gebeutelt, kam mit 51 Millionen aus. Die Griechen wollen das noch einmal unterbieten: Ausgaben von 50 Millionen Euro haben sie für ihre spartanische Präsidentschaft vorgesehen. Die Teilnehmer der rund 140 Treffen, die für das erste Halbjahr geplant sind, werden es merken: Alle Termine finden aus Kostengründen in der Hauptstadt Athen statt. Ausflüge zu den Ägäisinseln, wie bei den vier vorangegangenen griechischen Präsidentschaften, wird es nicht mehr geben. Die meisten der 14.000 erwarteten Gäste werden überdies ihre Reisekosten selbst bezahlen müssen.

Für jedes EU-Land ist die Versuchung groß, während der sechsmonatigen Präsidentschaft vor allem die eigene Agenda voranzubringen, nationalen Interessen nachzugehen. Vize-Außenminister Dimitris Kourkoulas unterstreicht aber, man werde "keine griechische, sondern eine europäische Ratspräsidentschaft“ machen. Kourkoulas: "Wir werden die Präsidentschaft nicht missbrauchen.“ Wirtschaftswachstum, Beschäftigung, Migration: Hier will Athen in den nächsten sechs Monaten besondere Schwerpunkte setzen. Das sind zwar Themen, die den Griechen besonders unter den Nägeln brennen - aber nicht nur ihnen. Für Griechenland ist die Präsidentschaft Herausforderung und Chance zugleich: Das Land will in den kommenden sechs Monaten unter Beweis stellen, dass es trotz der Krise politisch handlungsfähig und ein verlässlicher, fairer Partner ist.

Immerhin geht die Regierung nicht mit leeren Händen in das EU-Semester: Bei der Haushaltskonsolidierung hat das Land beeindruckende Erfolge erzielt. In den vergangenen vier Jahren wurde das Haushaltsdefizit um mehr als 13 Prozentpunkte vom Bruttoinlandsprodukt (BIP) gedrückt - kein anderes EU-Land hat eine ähnliche Konsolidierungsleistung vorzuweisen.

Erstmals seit dem Beitritt zur Eurozone hat Griechenland 2013 beim Defizit die Dreiprozent-Obergrenze des EU-Stabilitätspakts unterboten, und ein Jahr früher als erwartet meldet der griechische Finanzminister sogar einen Überschuss in der Primärbilanz, also vor Zinszahlungen. Über den Berg ist Griechenland allerdings noch lange nicht. Größtes Problem bleibt der riesige Schuldenberg, der mit 320 Milliarden Euro fast 176 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung ausmacht.

Große Anstrengungen

Schon 2003, als Griechenland zuletzt den Ratsvorsitz führte, drückten das Land hohe Schulden von 110 Prozent des BIP. Und die Defizitquote lag mit 5,2 Prozent ebenfalls weit über den Vorgaben. Rückblickend kann man darin Vorboten der heutigen Krise erkennen. Dennoch herrschte damals eine optimistische Aufbruchsstimmung in Hellas. Man bereitete sich auf die Olympischen Spiele vor, die Wirtschaft wuchs mit einem Plus von 4,8 Prozent sechsmal so schnell wie der Durschnitt der Eurozone.

Wie anders steht das Land heute da: Seit Beginn der Krise hat es ein Viertel seiner Wirtschaftskraft verloren.

Der brutale Sparkurs, den Griechenland auf Geheiß seiner Gläubiger steuern muss, hat über eine Million Menschen um ihre Arbeit gebracht und die Kaufkraft der griechischen Durchschnittsfamilie um fast 40 Prozent geschmälert. Jeder dritte Grieche, so die EU-Statistikbehörde Eurostat, lebt an oder unter der Armutsschwelle. Ein Publikumshit wird die EU-Präsidentschaft vor diesem Hintergrund wohl nicht werden.

Hoffnung ist ein Wort, das Ministerpräsident Antonis Samaras in diesen Tagen oft bemüht. Der griechische Ratsvorsitz sei "eine Präsidentschaft der Hoffnung auf mehr und ein besseres Europa“, erklärte Samaras am vergangenen Donnerstag zum Auftakt des letzten EU-Gipfels dieses Jahres in Brüssel. Zuversicht muss er vor allem unter seinen eigenen Landsleuten verbreiten. Und tatsächlich verspricht Samaras, dass sein Land im neuen Jahr endlich die Rezession hinter sich lässt.

Wenn er von einer "Präsidentschaft der Hoffnung“ spricht, denkt Samaras aber wohl auch an sein eigenes politisches Schicksal. Es könnte sich bei der Europawahl im Mai entscheiden. Sollte die radikal-linke Oppositionspartei Syriza, worauf manche Umfragen hindeuten, als klarer Sieger aus der Europawahl hervorgehen, könnte die ohnehin nur mit knapper Mehrheit regierende konservativ-sozialdemokratische Koalition zerbrechen. Dann ginge Griechenland neuen Turbulenzen entgegen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung