Heruntergelassene Hosen und eine Klomuschel als Denkmal

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Alles muss anders werden, damit alles gleich bleibt. Bringt solch Gedanke der Grazer Oper neue Mozart-Sicht? Leider nein, wie die "Don Giovanni"-Inszenierung des jungen deutschen Regisseurs Johannes Erath zeigt.

Zu Beginn lässt Regisseur Johannes Erath das Schlusssextett per Tonband einspielen. Die überlebenden Akteure hören als fahle Untote zu und werden erst vom d-Moll-Grollen der nunmehr live musizierten Ouvertüre aufs Neue in das grausame Spiel von Leidenschaft, Lust und Einsamkeit gestoßen. Mit Pistolen spielen Don Giovanni und der Komtur russisches Roulette. Der Komtur verliert. Den Rest des Abends sind alle Akteure und diverse Doubles, die unerkennbar machen, wer gerade singt, ständig auf der Bühne, die das Gefängnis ihrer Begierden (Bühnenbild: Stefan Heinrichs) darstellt.

Damit auch der opernfernste Zuschauer mitbekommt, dass es um Sex statt Liebe geht, trainieren Zerlina und Masetto auf einer Matratze, greift Leporello ab, was sich eigentlich seinem Herrn Don Giovanni anbietet. Kleider werden ab- und angelegt, Hosen heruntergelassen.

Mozarts und Da Pontes "Pfusch"

Höhepunkt der optischen Entgleisungen ist der Regie-Einfall, eine weiße Klomuschel zum Grabdenkmal des Komturs zu machen. Da enthüllt das Regieteam endlich anno 2010, was Mozart und Lorenzo da Ponte 1787 als transzendentes Pfuschwerk verbrochen haben.

Wer all diese Regieüberhebung ignorieren kann, erlebt in Graz eine packend musizierte Interpretation. Der estländische Dirigent Hendrik Vestmann sorgt für straffen Feinklang, trägt die Sänger über alle Klippen. Bester Sänger auf der Bühne ist der blutjunge italienische Tenor Antonio Poli als Don Ottavio, der bei Erath am Schluss Don Giovanni erschießen muss (Hölle gibt's ja angeblich keine mehr). Vollends das musikalische Niveau sichert der stimmgewaltige griechische Bassist Konstantin Sfiris als orgelnder Komtur. Leise Indisposition behindert das Rollendebüt des an der Wiener Staatsoper vielseitig erfolgreichen Boaz Daniel als Titelheld. Am überzeugendsten gelingen ihm die Kantilenen des Duetts mit Zerlina und des Ständchens. Unanfechtbar die Damen Margareta Klobucar, Gal James und Sieglinde Feldhofer.

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