Herzog Blaubarts Psychotrip

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Bartóks Oper als Therapiesitzung: eine gelungene Interpretation bei den Salzburger Festspielen und ihren "Bartók Series".

Nur selten aufgeführt, wird er dennoch zum erweiterten Repertoire des Opernbetriebs gezählt: Béla Bartóks Einakter "Herzog Blaubarts Burg", eine Komposition reich an Dissonanzen, in der sich der Einfluss von Debussy, Schönberg und Strauss bemerkbar macht. Gelegentlich wird das Stück in Kombination mit Schönbergs "Erwartung" oder Strawinskys "Oedipus Rex" gespielt. Die Salzburger Festspiele gehen heuer einen anderen Weg, indem sie dem Einakter im Großen Festspielhaus Bartóks aufwühlendes Opus 12, "Vier Orchesterstücke", und das oratorienartige Werk "Cantata profana - Die neun Zauberhirsche" voranstellen.

Die Wiener Philharmoniker unter Peter Eötvös, der einmal Bartók als seine musikalische Muttersprache bezeichnet hat, weben bei den unmittelbar nach "Blaubart" komponierten und daher musikalisch verwandten "Vier Orchesterstücken" einen feinen Klangfarbenteppich.

So lange bleibt die Aufführung konzertant, erst bei den jüngeren, tiefgründigen "Cantata" hebt sich der Vorhang und gibt den Blick frei auf das grelle Bühnenbild des deutschen, in Wien lehrenden Malers Daniel Richter, eine krude Mischung aus Edvard Munch, Hundertwasser und Grand Auto Theft IV.

Es handelt sich um die Vertonung eines rumänischen Volksmärchens, in dem ein Vater seine in Hirsche verwandelten Söhne zurückholen will. Vor allem der aus kleinen Fensterchen blickende Chor, die Konzertvereinigung Wiener Staatsopernchor, kann hier gleichsam als Erzähler stimmgewaltig brillieren, während im Zentrum der Bühne einem riesigen Kanarienvogel langsam die Luft ausgeht.

Analyse statt Schauerromantik

Ganz anders die Bühne schließlich bei "Herzog Blaubarts Burg": Hier verzweigen sich im Halbdunkel baumartig Dendriten, denn wir befinden uns nicht in einer Burg, sondern es geht hinein in eine Innenwelt. Regisseur Johan Simons interpretiert das Märchen von dem Edelmann, der reihenweise Frauen mordet und die Leichen in seinen Verliesen aufbewahrt, als reinigenden Psychotrip:

Der blinde, an Verletzungen oder seltsamen Deformationen laborierende Blaubart (Falk Struckmann) wird von seiner Pflegerin Judith (Michelle DeYoung) im Rollstuhl auf die Bühne gefahren. In einer für beide anstrengenden Therapiesitzung dringt sie immer tiefer in das Bewusstsein ihres Patienten ein, stößt überall auf Blut, auf einen See von Tränen und schließlich auf Blaubarts frühere Frauen. Moderne Analyse statt Schauerromatik also, musikalisch und gesanglich durchaus bestechend.

Die Aufführung ist übrigens Teil der "Bartók Series", einer von einer US-Stiftung ermöglichten Reihe bei den diesjährigen Festspielen. Vier Konzerte stehen für Bartók-Fans noch am Programm, darunter zwei mit dem Cleveland Orchestra unter Franz Welser-Möst.

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