Hier spricht der Stoiker Seneca

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Sein Leben stand unter keinem guten Stern. Es fiel in die Zeit gleich zweier despotischer Herrscher, nämlich Caligula und Nero. Keine guten Aussichten für Seneca (1 v. Chr.? - 68), der seine Aufgabe in der (Herzens-)Bildung von Herrschern sah. Unter Claudius wurde er wegen angeblichen Ehebruchs nach Korsika verbannt. Sein Schicksal böte allen Grund, mit seinen Widersachern zu hadern und Klage zu führen über die Ungerechtigkeit der Welt. Nichts davon ist zu spüren. Als Stoiker empfand er es als Pflicht und Bedürfnis, sich der Philosophie als Anweisung zu einem glücklichen Leben zu bedienen. Nur die Ansichten, wie ein glückliches Leben auszusehen haben, differieren gewaltig. Als er mit seinem Anspruch, Caligula über den Weg der Philosophie zu einer aufgeschlossen Persönlichkeit zu erziehen, gescheitert war, zog er sich im Jahr 62 zurück und widmete sich ausschließlich seinen Studien und dem Schreiben. Es entstanden die 124 Briefe an Lucilius, in denen er ausführliche Plädoyers für einen verantwortungsvollen Umgang mit Natur und Menschen führt. "Wenn die Vorsorge die Welt selbst - nicht weniger sterblich als wir es sind - Gefahren entzieht, kann auch durch unsere Vorsorge bis zu einem gewissen Grad diesem armen kleinen Körper eine längere Lebensdauer verschafft werden, wenn wir die Begierden, durch die ein ziemlich großer Teil der Menschheit zugrunde geht, lenken und in Schranken halten können."

Gegner eines autoritären Herrschers

So idealistisch dachte Seneca schon, dass er meinte, Menschen kraft der Argumentation und seines eigenen mustergültigen Lebens für die Stoa als prinzipielle Haltung gewinnen zu können. Ohne auf Nero und dessen immer selbstherrlichere Politik unmittelbar zu reagieren, stand er mit den Briefen als Gegner eines autoritären Herrschers da. Sie beschwören eben jene Werte, die in der aktuellen Lage schamlos verraten wurden. Hier fand eben nicht einer zu seinem Glück in der Vermehrung des Wissens und des überlegten Handelns, das das Wohl der anderen im Auge hat, sondern in der Ausschweifung, der Zügellosigkeit, dem Exzess. Die zwei Lebensmodelle passten nicht zusammen. Straflos durfte sich deshalb Seneca nicht lange der Kunst der Belehrung hingeben. Das Drama von Geist und Macht endete wie üblich für den Gebildeten tödlich. Im Jahr 65 wurde er zum Selbstmord gezwungen, was er stoisch ertrug.

Wenn jetzt diese Briefe auf Deutsch zugänglich gemacht werden, haben wir es mit einer Meisterleistung der Übersetzer zu tun. Es genügt ja nicht, Wort für Wort nachzustellen, was sich einer vor 2000 Jahren einmal ausgedacht hat, wir müssen einerseits den Geist der damaligen Zeit zu fassen bekommen und gleichzeitig dürfen wir nicht mit einer altertümelnden Sprache abgespeist werden. Diese Übersetzung ist so gegenwärtig, dass sie uns einen der Großen aus der Vergangenheit zu einem Gesprächspartner von heute macht.

Briefe an Lucilius

Von Seneca, übers. v. Heinz Grunermann, Franz Loretto u. Rainer Rauthe, Reclam 2014.780 S., geb., € 41,10

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