Ein Gedichtzyklus
von peter henisch
Der Schatten des Zauns
liegt genau
in der Mitte des Wegs
Die Glocken der Klosterkirche
läuten
Die Hunde
bellen
Zwei Männer
gehen vorbei
reden
in einer fremden
Sprache
Zwei Frauen
werfen einheimische
Blicke
Die Sirene
heult
Schwärme
von Krähen
steigen auf
aus dem Feld
als schwarze
Schreie
*
THE OLD GET OLD
AND THE YOUNG GET STRONGER
steht an der Mauer
des Kindergartens Man hat
die Parole gelöscht
doch sie kommt immer wieder
hervor
Vom Kindergarten
zum Altersheim
geht der Weg (ein Lehrpfad)
nur sanft bergauf
aber mit der Zeit
kommt man ganz schön außer Atem
*
GOTT ZUR EHRE
ALLEN ZUM HEIL
Im Pfad nderheim
hat man
Flüchtlinge einquartiert
Der Pfarrer
tut was
für die Bedürftigen
Alles was ihr jenen tut
hätte Jesus gesagt
habt ihr mir getan
Die Terrasse allerdings
über der
dieser Wahlspruch steht
hat man lieber
zugemauert
Alles was recht ist
besser
man sieht
die Ausländer nicht
wie sie einfach hier sitzen
einfach hier sitzen
und mit ihren braunen
Augen
in unsere grüne
Gegend schauen
als ob
als ob
sie hierher gehörten
*
Die Sonne scheint
alles grünt & blüht
vor dem Haus arbeitet ein Bagger
Er gräbt einen Graben
zwischen uns
und die Welt
Die Leitungen
die bisher oberirdisch gelaufen sind
sollen in Zukunft unterirdisch laufen
Man ist produktiv hier
man läßt sich immer wieder etwas einfallen
hier bei uns gibt es keinen Stillstand
Stille was ist das
sie würde jeden anständigen Menschen
erschrecken
Daß du z.B. nur Vogelgezwitscher hörst
wenn du das Fenster aufmachst
Richtung Nußbaum -
nur das Gesumm der Hummeln & Bienen
wenn du vor die Tür trittst
unter den Goldregen -
das kommt nicht in Frage
Wo kämen wir denn da hin?
Was glaubst du wo wir sind?
*
Unter den Pappeln
hin & her
gehen und lesen
Sehen:
Die Maus im Gras
und den Bussard in der Luft
Hören: Wie laut das Stoppelfeld knistert
unter der Sonne Wie oft
der Kuckuck ruft
Schmecken: Himbeeren
Spüren: Den Wind auf der Haut
Den Brandgeruch
den es vom Süden
über die Hügel treibt
werden wir möglichst
nicht mit Krieg assoziieren
Etwas notieren
Etwas ausradieren
*
Schau
den Hügel hinab
und sag
was siehst du?
Du siehst
das weite
breite
Fließen der Felder
Von der Autostraße da unten
mußt du allerdings absehen
An die vielen
achgefahrenen Tiere
darfst du
nicht denken
an die Menschen
in ihren durchs Land rasenden
Einzelzellen
Auch die Kunststoffabrik
sollst du nicht beachten
Zwar hat man sie
rücksichtslos
in die Gegend geklotzt
aber was willst du
wir sind nicht im Paradies
das sind 20 Arbeitsplätze
Durch den Wald
wird ein Stollen getrieben
wir werden kaum was
davon bemerken
Sie werden auf der einen Seite
hineinbohren
und auf der anderen
herauskommen
Nachher
geht alles noch schneller
an uns vorbei
*
Raschelt
der Wind
in den Blättern
oder
rascheln
die Blätter
im Wind
Mitten
auf der Wiese
steht noch immer
der Baum
steht noch immer
mitten
auf der Wiese
Der Gedichtzyklus ist ein Vorabdruck aus:
"Figurenwerfen"
Der Peter-Henisch-Reader
Herausgegeben von Franz Schuh. Residenz Verlag, Salzburg-Wien 2003, 380 Seiten, geb. e 22,90
(Ab Anfang September in den Buchhandlungen)
Veranstaltungstipp:
Festveranstaltung zum 60. Geburtstag von Peter Henisch mit Präsentation des Bandes
"Figurenwerfen" und der CD "Vom Baronkarl zum Schwarzen Peter"
Es spielen Henischs langjährige musikalische Begleiter: Woody Schabata (Vibraphon/Perkussion) und Hans Zinkl (Gitarre).
Montag, 15. September, 19.30
im Großen Sendesaal des RadioKulturhauses