High School - kein Musical

Werbung
Werbung
Werbung

Die USA sind uns viel fremder, als wir glauben: Barbara Eders Erstlingsfilm "Inside America“ erzählt von einer verlorenen Generation amerikanischer Teenager.

Alles begann mit einem normalen Schüleraustausch: Barbara Eder war 17, als sie Mitte der 1990er-Jahre für ein Jahr lang nach Amerika fuhr. Dass die Burgenländerin dort Dinge erleben würde, die ihr später einmal Stoff für einen ganzen hochdramatischen Spielfilm liefern würden, ahnte keiner - ihre Eltern hätten den Aufenthalt wohl verhindert. "Inside America“ heißt der Film, es ist Eders erster Langfilm: Gangkriege, Drogenexzesse, Beauty-Bewerbe, Gewaltverbrechen, und das alles in und um die Hanna High School in Brownsville, Texas. Hier ging Eder damals ein Jahr zur Schule, und hier drehte sie 2008 ihren Film, praktisch ohne Geld, mit einem minimalen Team, aber mit umso mehr Enthusiasmus, Mut und Durchhaltevermögen.

Für eine österreichische Gymnasiastin ist der Besuch der Hanna High School ungefähr so fremd wie ein Ausflug auf den Mars: Allmorgendlich muss jeder Schüler durch die Waffenkontrolle. Mittags wird gemeinsam der Schwur auf die amerikanische Flagge gesprochen. Es gibt eine eigene Military Class, in der Schüler sich auf die Armee vorbereiten lassen können, Drill lernen und Uniform tragen. Wer während der Stunde auf die Toilette muss und den Sicherheitskräften am Gang keine schriftliche Erlaubnis dazu vorzeigen kann, wird sofort in Verwahrung genommen. Dabei ist die High School keine Anstalt für schwererziehbare Jugendliche, sondern eine ganz normale Schule, bis auf ein Detail: Brownsville liegt an der Grenze zwischen Texas und Mexiko, auch mexikanische Jugendliche bekommen hier ihre Ausbildung. Theoretisch müssen sie abends wieder über die Grenze zurück, praktisch leben sie oft illegal in den USA. Solange die Schule andauert, sind sie beschäftigt, doch mit 18 stehen sie oft vor dem Nichts: Es wartet nur eine Laufbahn als schwarz arbeitende Putzfrau, als Gangmitglied, als Unerwünschter im eigenen Land.

Dieser amerikanische Traum

Der amerikanische Traum vom eigenen Bungalow mit weißem Gartenzaun, Kleinfamilie, Auto und Hund ist hier noch lebendig - wenngleich nur innerhalb der Schulmauern. Sobald die Schüler draußen sind, zerbröseln zwischen Heiratsmarkt, Essensmarken, LSD-Trips und Schlägereien allmählich jegliche Zukunftsillusionen.

Aus den Geschichten, die Eder damals miterlebte, entwickelte sie für ein Ensemble authentischer Laiendarsteller ein Drehbuch um sechs Figuren, deren Geschichten miteinander verknüpft sind. Die hübsche, reiche Cheerleaderin Aimee wird von ihrer Mutter zur Beauty-Karriere getrieben und verliert dabei alle Freundinnen. Schulkollege Manni ist Gangmitglied wider Willen, seine mexikanische Freundin Patty wünscht sich, dass er zur Vernunft kommt und mit ihr eine Familie gründet. Carlos, Aimees schneidiger Lover, ist Militärschüler und schikaniert bei jeder Gelegenheit Mitschüler und Ricky müht sich als Außenseiter, möglichst wenig aufzufallen, bis er an eine Gang gerät. Und Zuly droht, bei ihrer Pflegefamilie rauszufliegen: Alle sechs sind sie Teil einer verlorenen Generation, alle sechs durchleben sie ihre eigenen Tragödien.

Ein brisanter, hoch spannender Erstlingsfilm aus dem Herzen Amerikas, der vor wenigen Tagen verdientermaßen den Spezialpreis der Jury beim 32. Max Ophüls Festival in Saarbrücken erhielt.

Inside America

A/USA 2010. Regie: Barbara Eder. Mit Patty Barrera, Carlos Benavides Verleih: Thimfilm. 107 Min. Ab 11. 2.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung