Hilfe für Frauen in der 3. Welt

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Geburtenregelung. Den Frauen auf diesem Sektor das notwendige Wissen zu vermitteln, diesem Anliegen hat sich die Ärztin seit Jahren verschrieben.

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Geburtenregelung. Den Frauen auf diesem Sektor das notwendige Wissen zu vermitteln, diesem Anliegen hat sich die Ärztin seit Jahren verschrieben.

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dieFurche: Was ist Ihre Motivation, sich für Menschen in der Dritten Welt einzusetzen?

Maria Hengstberger: Ich glaube, es ist in der Entwicklungshilfe wichtiger, Wissen zu vermitteln, als Geld zu spenden. Gerade auf dem Gebiet der Familienplanung ist das so wichtig, denn wo es kein Geld für Brot gibt, gibt es auch kein Geld für Verhütungsmittel. Pillen und Kondome kosten viel Geld. Aber die Menschen sollten wenigstens die richtige Aufklärung bekommen. Da ich entsprechend meiner Ausbildung und Erfahrung gynäkologisches Wissen erworben habe, kann ich dieses, praxisgerecht übersetzt, auch an einfache und arme Menschen weitergeben. Ich möchte weltweit in den Entwicklungsländern, wo es viele mittellose Analphabeten gibt, Seminarkliniken aufbauen.

dieFurche: Was geschieht in Ihren Kliniken in der 3. Welt?

Hengstberger: Ich konnte bisher mit Hilfe unserer Spender vier sogenannte "Seminarkliniken" aufbauen, wo Entwicklungshelfer anderer Organisationen über praxisgerechte Familienplanung nach meinen Seminarunterlagen unterrichtet werden. Natürlich wird in diesen Kliniken auch behandelt und geholfen, denn ich glaube, daß nur ein Patient, dem im Leid geholfen wurde, ein dankbarer Patient ist und gerne die Ratschläge seines Arztes befolgt. Es ist mir wichtig, die Ausbildung an Frauen und Männer zu vermitteln. Mein Motto dabei ist "Education - Motivation - Innovation" (Erziehung-Motivation- Neuerung). Ich motiviere die Menschen, indem ich ihnen sage: "Wenn die Menschen hier in Österreich auch alle zwölf bis 15 Kinder hätten, dann müßten auch viele betteln gehen."

dieFurche: Was wollen Sie mit dieser Wissensvermittlung erreichen?

Hengstberger: Ich möchte erreichen, daß alle Frauen weltweit - auch die ärmsten und einfachsten - eine Chance auf Selbstbestimmung haben. Das heißt, sie sollen selbst entscheiden können, ob sie Kinder haben wollen und wenn ja wieviele, oder ob sie sich keine Kinder leisten können. Wissen zu vermitteln, heißt, Freiheit weiterzugeben. Konkret erreichen will ich außerdem, daß der Abstand zwischen den einzelnen Schwangerschaften größer wird, damit die Frauen die Möglichkeit haben, sich zu schonen und zu regenerieren. So wird die Frauensterblichkeit und die Kindersterblichkeit gesenkt.

Ich weiß, daß ich dieses Ziel in meinem Leben nicht erreichen kann, aber ich möchte wenigstens möglichst weit kommen. Viele junge Menschen arbeiten ehrenamtlich in meinem Sinne bei der "Aktion Regen" mit und werden auch in meinem Sinn weiterarbeiten.

dieFurche: Auf welche Hindernisse sind Sie bei Ihrer Entwicklungshilfearbeit bisher gestoßen?

Hengstberger: Es gab nicht viele Hindernisse zu überwinden, denn ich habe offenbar auf einer anderen Ebene gearbeitet. 1990 bei einem Workshop in New York zum Thema Familienplanung in den Entwicklungshilfeländern war ich zum Beispiel die einzige Gynäkologin, der es um Wissensvermittlung ging. Bei der Tagung ging es damals nur um Geld, das aber, wie wir wissen, weniger wird, wenn man es ausgibt. Ich glaube, Wissen wird mehr, wenn man es weitergibt. Das merke ich nach jedem meiner gynäkologischen Vorträge für die Frauen. Aus den Fragen der Frauen lerne ich dazu. Die Beschäftigung mit der Geburtenkontrollkette und unsere Seminartätigkeit lehrt die Frauen mitzudenken. Später erklären sie mir: "Jetzt weiß ich, wann der Eisprung sein kann und fühle ihn wirklich.". Es gibt vieles, was Frauen in unseren Seminaren lernen können und dann auch an ihre Töchter weitergeben können.

Natürlich nehmen wir auch das Grundwissen der "Billings-Methode" in unser Lehrprogramm auf, aber diese Methode ist nur in kleinem Kreis und sehr persönlich weiterzugeben. Mit der Geburtenkontrollkette haben sehr viele einfache Frauen die Möglichkeit, einen "begreifbaren" Lehrbehelf in der Hand zu haben. Gerade einfache Menschen leben sehr naturverbunden und spüren tatsächlich ihren Eisprung, wenn sie wissen, wann er ungefähr zu erwarten ist.

dieFurche: Ihr neustes Projekt ist die Eröffnung einer Klinik in Ruanda. Was ist dort zu tun?

Hengstberger: Die "Aktion Regen" hat den Klinikbau finanziert. Ich selbst war bei der feierlichen Grundsteinlegung im Februar mit dabei. Ende Mai fliege ich zur offiziellen Eröffnung nach Ruanda. An den Folgen des Bürgerkrieges leiden besonders Waisen, Witwen und Invalide. Anne Numutari, die Frau des Unterrichtsministers, hatte mit Unterstützung der Regierung den Bau eines kleinen Hüttendorfes ermöglicht, in dem Witwen als Pflegemütter von zu versorgenden Waisenkinder eine neue Lebensaufgabe bekommen. Allerdings fehlte dringend eine Klinik, nicht nur für die Dorfbewohner, sondern auch für die Menschen in den Flüchtlingslagern in der Umgebung. Hilflos sind sie Seuchen und Krankheiten ausgeliefert. Hier konnten wir einspringen. Der Staat Ruanda wird die Klinikkosten übernehmen, während wir die dortige Ärztin finanzieren, die weitere Entwicklungshelfer für die Familienplanung ausbilden wird.

dieFurche: Unter dem Motto "Biete Wissen gegen Spende" halten Sie auch in Österreich gynäkologische Vorträge für interessierte Frauen, vor allem in ländlichen Bereichen. In welchem Zusammenhang stehen diese mit Ihrem Engagement in der 3. Welt?

Hengstberger: Ich glaube, wenn jemand Entwicklungshelfer werden will, dann sollte er zuerst im eigenen Land beginnen und schauen, ob es da nicht viel zu verbessern gibt. Ich leiste "Entwicklungshilfe im eigenen Land", denn die Bäuerinnen haben so viele Fragen, für die die niedergelassenen Ärzte oft keine Zeit haben. Außerdem sind sie dankbar, wenn sie gynäkologisches Wissen in einer für Laien verständlichen Sprache vermittelt bekommen. Auf diesem Gebiet gibt es so viel zu tun, daß ich mich erst mit 44 Jahren wieder erinnerte, daß ich eigentlich seit meiner frühesten Jugend Entwicklungshelferin werden wollte.

dieFurche: Spielt bei all Ihren Aktivitäten Ihre Religion, Ihr Glaube an Gott eine Rolle?

Hengstberger: Natürlich, ich glaube an meinen Gott und ich liebe ihn. Die Kraft, die er mir für meine Arbeit gibt, ist mein wichtigster und sicherster Gottesbeweis. Ich glaube, Gott hat mir eine Aufgabe gegeben und wem er eine Aufgabe gibt, dem gibt er auch die Fähigkeit und die Kraft, sie durchzuführen.

dieFurche: Was war für Sie bisher das beglückenste Erlebnis?

Hengstberger: Die Tatsache, daß meine Geburtenkontrollkette in manchen Einzelfällen genau das Gegenteil von dem erzielte, was ich eigentlich anstrebte. So bekamen beispielsweise Ehepaare, die sich seit Jahren nach einem Kind sehnten, die Geburtenkontrollkette erklärt. Während der unfruchtbaren Tage des Zyklus wurde nun kein Verkehr mehr versucht, denn es könnte ja "kostbarer Samen" verschwendet werden. Und plötzlich wird die Frau schwanger - offenbar nach einem Verkehr in der Mitte der fruchtbaren Tage. Diese Wunschkinder sind, so eigenartig das bei meinem Arbeitsprogramm klingen mag, meine schönste Belohnung.

Das Gespräch führte Katja Sindemann.

Zur Person: Helferin und Lehrerin in allen Kontinenten der Erde Die Gynäkologin Maria Hengstberger hat ein Gerät entwickelt, das schmerzlose Krebsabstriche ermöglicht. Außerdem führte sie den Gebrauch von Vakuumglocken bei der Bauchhöhlenspiegelung ein. Eine weitere Innovation war der Einsatz von blinden Frauen bei der Brustkrebsvorsorgeuntersuchung. Unter dem Motto "Schenken Sie Liebe" organisierte Hengstberger einen Besuchsdienst für einsame alte Menschen in Pflegeheimen. Außerdem entwickelte sie eine Geburtenkontrollkette, mit der Frauen ihre fruchtbaren und unfruchtbaren Tage erkennen können. Zur Finanzierung von Kliniken in der DrittenWelt, in denen Wissen zur Familienplanung weitergegeben wird, gründete sie die Hilfsorganisation "Aktion Regen", Daueraufträge - Spenden in Form von Regentropfen. So wurden bisher Kliniken in Nordindien, Äthiopien und Mexiko finanziert. In Ruanda wird nun ein neues Gesundheitszentrum eröffnet, das Opfer des Bürgerkrieges medizinisch versorgen soll.

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