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Lese-Tipps nicht nur für die vorösterliche Zeit: Neues Buch von Erwin Kräutler. Eine protestantische Näherung ans Erbarmen. Ein Gespräch zwischen Biologen und Physiker. Auseinandersetzungen mit Yves Congar und Richard Dawkins.

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Lese-Tipps nicht nur für die vorösterliche Zeit: Neues Buch von Erwin Kräutler. Eine protestantische Näherung ans Erbarmen. Ein Gespräch zwischen Biologen und Physiker. Auseinandersetzungen mit Yves Congar und Richard Dawkins.

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Sein Nachfolger in der riesigen Xingu-Prälatur am Amazonas wurde am 5. März geweiht. Was den nun emeritierten Bischof Erwin Kräutler heute umtreibt, ist seinem neuesten Buch Habt Mut! Jetzt die Kirche und die Welt verändern, das Kräutler gemeinsam mit dem Salzburger Nachrichten-Redakteur Josef Bruckmoser verfasst hat, nachzulesen. Es ist eine eindringliche, hoffnungsvolle Schrift geworden - und ein Plädoyer, an einer neuen Kirche in der Vision von Papst Franziskus zu arbeiten. Kräutler hat seit dem Amtsantritt des Bergoglio-Papstes kein Hehl daraus gemacht, dass der Pontifex und er, der Bischof für Amazonien, mehr als nur Brüder im Geist sind. In seiner emphatischen und gut lesbaren Sprache gibt der aus Vorarlberg stammende Brasilianer und alternative Friedensnobelpreisträger einmal mehr Zeugnis von seiner Spiritualität. Kein Zufall, dass das Buch in eine Schilderung des Katakombenpaktes mündet, den Konzilsbischöfe vor 50 Jahren als Verpflichtung zu einer Option für die Armen geschlossen haben.

Alte Wörter und moderne Fragen

Die katholische Welt begeht zurzeit, von Papst Franziskus ausgerufen, das Jahr der Barmherzigkeit. Es zahlt sich auch für Katholiken aus, in diesem Zusammenhang das Buch Erbarmen von Ina Praetorius zur Hand zu nehmen, das ähnliche Thematik behandelt, aber geschrieben wurde, bevor noch von einem Jahr der Barmherzigkeit die Rede war. Die protestantische Theologin, sie war bis 2014 Kolumnistin der FURCHE, nähert sich dem alten Wort in elf Kapiteln und geht davon aus, dass Erbarmen als Eigenschaft Gottes in Judentum, Christentum und Islam gleichermaßen vertraut ist. Die Autorin schreibt auch, ohne das, was Wörter wie "Barmherzigkeit","Erbarmen" oder "Milde" ausdrücken, gebe es auch keine Menschenrechte oder Errungenschaften des Sozialstaats. Auf diese Weise nähert sie sich den alten Begriffen und gleichzeitig modernen Fragen - sie durchforstet die Bibel nach Spuren des Erbarmens und verortet diese Erkenntnisse in den Herausforderungen einer postpatriarchalen Gesellschaft. Praetorius' Zugänge sind mitunter widerständig, aber notwendig.

Ein Plädoyer für das Staunen

"Gespräch zwischen Glaube und Naturwissenschaft" klingt mitunter hochtrabend, kann aber eine spannende Sache sein -nicht zuletzt wenn "Glaube" den Hintergrund bildet und nicht gleich alles vordergründig zudeckt. Der Astrophysiker (und evangelische Christ) Harald Lesch und der Biologe (und Jesuit) Christian Kummer erledigen diese Aufgabe im Buch Wie das Staunen ins Universum kam mit Bravour. Schon wenn man die Einleitung "Das Staunen ist der Anfang von allem" liest und dabei die Traubenhyazinthe als Ausgangspunkt vorfindet, kann man nicht mehr aufhören, weiterzublättern. Der Biologe steuert sein Staunen über die Evolution bei, der Physiker das über die Kosmologie, die Entstehung des Universums. Unverkrampft und ohne den lieben Gott hinter jeder Ecke zu vermuten tun das Lesch wie Kummer. Sie lassen dennoch keinen Zweifel daran, dass auch und gerade in einer in sich selbständigen Welt "Gott" vorstellbar bleibt.

Der Dominikaner Yves Congar (1904-95) zählte zu den einflussreichsten katholischen Theologen des 20. Jahrhunderts, nicht zuletzt rund ums II. Vatikanum. Während im deutschen Sprachraum theologische Größen wie Karl Rahner gerade noch präsent sind, kann man das von den französischen Vordenkern der kirchlichen Erneuerung nicht mehr behaupten. Verdienstvollerweise bringt der Herder-Verlag die Monografie Yves Congar. Leben - Denken - Werk von Joseph Famerée und Gilles Routhier auf Deutsch heraus. Die beiden Theologen, der eine im belgischen Löwen, der andere in Québec tätig, stellen in einer kurzen "intellektuellen Biografie" die immense Bedeutung Congars heraus, dessen Denken nicht zuletzt die gewaltige Umkehr der katholischen Kirche in der Ökumene und dem Verhältnis zu Judentum und Religionen ebenso vorangebracht wie die großen theologischen Entwürfe über die Kirche auf dem Konzil mitbegründet hat. In den folgenden, ausführlicheren Teilen versuchen die Autoren eine ebenso systematische wie prägnante Darstellung der Theologie Congars.

Widerspruch zu Dawkins

Ein in mehrerlei Hinsicht schwergewichtiges Werk stellt Rudolf Langthalers Streitschrift Warum Dawkins Unrecht hat dar. Der Professor für Christliche Philosophie an der Katholisch-Theologischen Fakultät in Wien setzt sich gründlich, intellektuell redlich und ausgreifend gründlich mit Positionen des Atheismus-Bestseller-Autors Richard Dawkins auseinander. Keine leichte Kost, aber eine klar argumentierte, die an Dawkins' Welt- und Menschensicht wenig gute Haare lässt und vor allem philosophische Widersprüche in seiner Argumentation nachweist. Bis vor kurzem schien der britische Biologe ein wenig aus dem Blickpunkt der Öffentlichkeit gerückt, da aber dieser Tage die 736 Seiten umfassende Autobiografie von Dawkins erschienen ist, kann Langthalers philosophische Abrechnung mit dem Autor von "Der Gotteswahn", "Die Schöpfungslüge" und "Das egoistische Gen" auch als - für Fachinteressierte - wichtige Auseinandersetzung zur rechten Zeit angesehen werden.

Habt Mut!

Jetzt die Welt u. die Kirche verändern.

Von Erwin Kräutler, Josef Bruckmoser. Tyrolia 2016.142 Seiten, geb., € 14,95

Erbarmen Unterwegs mit einem biblischen Wort.

Von Ina Praetorius. Gütersloher Verlagshaus 2014.128 Seiten, geb., € 15,50

Wie das Staunen ins Universum kam

Ein Physiker und ein Biologe über kleine Blumen und große Sterne.

Von Harald Lesch u. Christian Kummer. Patmos 2016.190 Seiten, geb., € 18,50

Yves Congar. Leben - Denken - Werk.

Von Joseph Famerée u. Gilles Routhier, Herder 2016.328 S., geb., € 30,80

Warum Dawkins Unrecht hat

Eine Streitschrift.

Von Rudolf Langthaler. Verlag Karl Alber 2015.584 Seiten, geb., € 40,10

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