Hinterm Werk verschwinden

Werbung
Werbung
Werbung

"Ich freue mich sehr und bin sehr glücklich. Der Wermutstropfen dabei ist, dass Ernst Jandl das nicht erlebt hat. Er hätte sich genauso gefreut wie ich." So reagierte Friederike Mayröcker auf die Zuerkennung des Georg-Büchner-Preises in der letzten Woche. "Es ist mein Werk, das ausgezeichnet wird, ich wüsste nicht, was an meiner Person so interessant wäre", erklärte Mayröcker weiters.

Ihre schwarz verhüllte Gestalt, ihre zettelübersäte Wiener Wohnung und ihre manische Arbeitsweise haben Mayröcker zu einer Art Legende gemacht. Als "bekannt, aber nicht gekannt" bezeichnete ein Literaturwissenschafter einmal die Dichterin, deren Werk immer noch der Ruf, "hermetisch" zu sein, anhaftet. 1924 in Wien als Tochter eines Lehrers und einer Modistin geboren, war Mayröckers Kindheit nach eigenen Aussagen geprägt von den Sommermonaten, die sie bis zu ihrem elften Lebensjahr im elterlichen Anwesen in Deinzendorf an der tschechisch-niederösterreichischen Grenze verbrachte - wegen ihrer zarten Gesundheit stark von der Außenwelt abgeschirmt. 15-jährig begann sie kurze emotionale Prosatexte zu schreiben.

In der von Otto Basil herausgegebenen Literaturzeitschrift "Plan" veröffentlichte Mayröcker 1946 erste Gedichte. Im selben Jahr begann sie als Englischlehrerin an Wiener Hauptschulen zu unterrichten, bis zu ihrer Beurlaubung 1969. Ein 1950 begonnenes Germanistik-Studium musste sie abbrechen, weil ihre Lehrerinnentätigkeit die wirtschaftliche Basis der Familie sicherte. 1951 stieß Mayröcker zu einem Kreis junger Autoren um Hans Weigel, dem unter anderem Ingeborg Bachmann und Hertha Kräftner angehörten. Sie lernte Andreas Okopenko kennen und 1954 Ernst Jandl, mit dem sie bis zu dessen Tod im Jahr 2000 eine enge Freundschaft verband. Die drei schufen Textmontagen und unterhielten Kontakte zur Wiener Gruppe, ohne sich ihr anzuschließen. Ehe Mayröcker sich deren experimentelle Techniken der Collage, Montage, Assoziations- und Traumarbeit aneignete, erschien 1956 "Larifari. Ein konfuses Buch" mit Prosaskizzen der vorexperimentellen Phase.

Zwischen 1967 und 1971 verfasste Friederike Mayröcker eine Reihe von Hörspielen, vier davon gemeinsam mit Ernst Jandl, darunter das 1968 mit dem Hörspielpreis der Kriegsblinden ausgezeichnete "Fünf Mann Menschen". Ihr Buch "Lection" (1994) sowie "brütt oder Die seufzenden Gärten" (1998) - sind "keine Autobiografie, dennoch authentisch", wie die Autorin es einmal charakterisiert hat. Sie hat für sich selbst "Biografielosigkeit als Lebenshaltung" reklamiert und will hinter ihrem Werk verschwinden.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung