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Bevor Linz 2009 Kulturhauptstadt Europas wird, befassen sich zwei Ausstellungen schonungslos mit der NS-Zeit.

Wie gehen wir mit der belastenden historischen Hypothek um, die Adolf Hitler und seine Ideologie in und um Linz hinterlassen haben? Dass sich das NS-Erbe nicht so einfach abstreifen lässt, zeigte die Diskussion, die rund um die Entfernung der Aphrodite-Statue am Bauernberg entflammt ist. Studenten der Kunstuniversität wollten darauf aufmerksam machen, dass die Skulptur - obgleich nur ein Abguss vom Original - ein persönliches Geschenk Adolf Hitlers an seine "Heimatstadt" war. Bürgermeister Franz Dobusch (SP), beraten von Stadtarchiv-Direktor Walter Schuster, ließ die Bronzestatue entfernen. Sie lagert nun im Depot des Stadtmuseums Nordico.

Diese Art der Geschichtsaufarbeitung stieß vielerorts auf Unverständnis. "Ich halte es für einen Fehler", sagt dazu der stellvertretende Linz 09-Intendant Ulrich Fuchs. Weitaus offener, auch offensiver, geht das Team der Kulturhauptstadt Linz 09 um Intendant Martin Heller mit dem heiklen Thema um. Schon im Vorfeld der Eröffnung des Kulturhauptstadtjahres am 31. Dezember 2008 führte die Ausstellung "Tiefenrausch" im offenen Kulturhaus in die unterirdischen Stollen der Stadt und in NS-Bunker. Vergangene Woche wurden die beiden Ausstellungen "Kulturhauptstadt des Führers" im Schlossmuseum und "Politische Skulptur" in der Landesgalerie eröffnet. Der Zeitpunkt ist bewusst gewählt. "Wir wollten es im Vorfeld anpacken, damit die Eröffnung nicht nur von der Frage überlagert wird, was machen sie denn zum Thema NS - das würde Linz nicht gerecht. Es gibt auch eine Zeit danach", so Fuchs. Zeitgeschichte sei ein Schwerpunkt des Kulturhauptstadtjahres mit (vorläufig) 144 Projekten aus 1968 Einreichungen. An die 30 Projekte werden noch dazu kommen - Mitte November soll das Programmbuch vorliegen.

Ein Alterssitz für den Führer

Ein Meilenstein ist die Ausstellung "Kulturhauptstadt des Führers" - ursprünglich gar nicht für Linz 09 konzipiert, wie die Historikerin und Kuratorin Birgit Kirchmayr erzählt. Ausgangspunkt sei ein Projekt zur Provenienz- bzw. Raubkunstforschung gewesen. Vom Landesmuseum sei jedoch der Wunsch an sie herangetragen worden, dies in ein größeres Ganzes einzubetten. "Ein Wagnis", gibt Kirchmayr zu. Umso erfreulicher der Ansturm bei der Eröffnung und auch danach.

Die Schau ist in zwei Teile gegliedert, beginnend mit der Zeit vor 1938. Schon um 1900 war Linz vom deutschnationalen Bürgertum geprägt. Adolf Hitler, verhinderter Kunststudent und selbsternannter Kunstmaler, wollte "seinen Heimatgau" aufwerten und die Stahlstadt - knappe neun Jahre lebte er in und um Linz - zu einer Kultur-Metropole machen; schließlich beabsichtigte er, auf dem Schlossberg in einem großzügigen Alterssitz, wofür er das Schlossmuseum schleifen lassen wollte, seinen Lebensabend zu verbringen. Doch die hochfliegenden Pläne - die von der monumentalen Verbauung der beiden Donauufer über eine Oper (übrigens an derselben Stelle, an der das neue Musiktheater gebaut wird) bis zur Prachtstraße zum neu gestalteten Hauptbahnhof reichten - blieben meist nur Utopie. Realisiert wurden bekanntlich nur die Nibelungenbrücke mit den beiden Brückenkopfgebäuden - neben den Hermann-Göring-Werken (heute voestalpine) und rund 12.000 Wohnungen, die heute noch "Hitler-Bauten" genannt werden.

Die Ausstellung ist bewusst nüchtern gestaltet - mit Fotos, Modellen, historischen Dokumenten, Filmausschnitten und Gemälden. Diese zeigen sowohl die offizielle, regimetreue Sicht als auch die ungeschönte Seite des NS-Regimes: Simon Wiesenthals Zeichnungen aus dem KZ Mauthausen - oder Bilder der Künstlerin Ida Maly, die in Hartheim vergast wurde. Ausführlich behandelt wird auch der "Sonderauftrag Linz" - einer der größten Kunstraube der Geschichte. Tausende Kunstwerke, meist jüdischer Besitzer, wurden enteignet und beschlagnahmt für Hitlers geplantes Führermuseum, das bloß Papier blieb.

Ein Kapitel, das bis heute nachwirkt - schließlich hat auch das Landesmuseum wie viele andere Museen von der Zuweisung geraubter Kunstwerke profitiert. Mit der Ausstellung stellt sich das oberösterreichische Landesmuseum daher auch seiner eigenen Geschichte. Devotionalien wie ein Gästebuch, in das sich nur Hitler beim Besuch der Landesgalerie eintrug, sowie eine Büste des Diktators setzt Kirchmayr in einer Vitrine provokant in Szene.

Der zweite Teil legt den Fokus auf das künstlerische Schaffen in Oberösterreich in der NS-Zeit in den Bereichen Bildende Kunst, Musik und Theater sowie Literatur - wesentliche Instrumente zur Verbreitung und Durchsetzung der NS-Ideologie. Verbotene, exilierte und verbrannte Literatur wird dabei in Bücherregalen bereitgestellt, die damalige Kulturzeitschrift Oberdonau (1941-43) liegt auf.

Pflicht zu wissen

Als Ergänzung befasst sich die Landesgalerie in einer bemerkenswerten Schau mit der "Politischen Skulptur". Die Biographien der vier Bildhauer Ernst Barlach, Ludwig Kasper, Josef Thorak und Fritz Wotruba veranschaulichen, wie unterschiedlich Künstler mit der Kulturpolitik des Dritten Reiches umgegangen sind und wie sie vor bzw. nach 1945 rezipiert wurden. Während Barlach, der nicht davor zurückschreckte, die psychischen Schäden der Soldaten darzustellen, am stärksten als einer der "Entarteten" verfolgt wurde, erfuhr Kasper sowohl Ablehnung als auch Anerkennung. Fritz Wotruba wich in zunehmende Abstraktionen aus, und Josef Thorak, der sich aus Karrieregründen von seiner jüdischen Frau scheiden ließ und als Berater der SS-eigenen Porzellanmanufaktur auf dem Gelände des KZ Dachau Gefangene bei der Arbeit inspizierte, zählte gar zu den Lieblingsbildhauern Hitlers. Noch heute ist eine Straße in Salzburg nach ihm benannt, und im Mirabellgarten stehen zwei seiner Skulpturen - ohne kritischen Beitext. Soll man sie auch einfach entfernen, die Straße umbenennen? Womit sich wieder die Frage stellt, wie wir mit dem "NS-Erbe" umgehen. Selbst wenn es keine Antwort ist: "Es ist unsere Pflicht zu wissen, was passiert ist, auch wenn's weh tut", formuliert die Schriftstellerin Anna Mitgutsch.

Kulturhauptstadt des Führers

Kunst und Nationalsozialismus in Linz und Oberösterreich

Schlossmuseum Linz

Bis 22. März 2009, Di-Fr 9-18 Uhr, Sa, So, Fei 10-17 Uhr

www.schlossmuseum.at

Politische Skulptur

Landesgalerie Linz am OÖ. Landesmuseum

Bis 16. November 2008, Di-Fr 9-18 Uhr, Sa, So, Fei 10-17 Uhr

www.landesgalerie.at

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