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Offenbachs "Les Contes d' Hoffmann" in einer eigens für die Salzburger Festspiele konzipierten Fassung.

Eine offene Weinrechnung von stattlichen 1.116 Talern hinterließ E. T. A. Hoffmann, als er 1822 starb. Fortan wurde der Dichter zum maßlosen Trunkenbold stilisiert, in Jacques Offenbachs Oper "Hoffmanns Erzählungen" ist das nicht anders. Bei den Salzburger Festspielen, wo heuer "Les Contes d'Hoffmann" am Programm stehen, füllt sich Hoffmann nicht nur mit Wein, Bier und Punsch ab, sondern jagt sich auch gleich einige Ladungen Heroin in die Venen. Die Inspiration kommt mit der Intoxikation: Wie besessen bringt Hoffmann seine Halluzinationen zu Papier. Stella, Olympia, Antonia, Giulietta - all seine Geliebten entspringen nur Hoffmanns Phantasie. Allein die Muse, seine ihn mit Alkohol versorgende Bettgenossin, ist real.

Die "Salzburger Fassung"

Unüberschaubar sind die verschiedenen Spielfassungen von "Les Contes d'Hoffmann", die alle über eine gewisse Legitimität verfügen. Zuletzt wurde 1993 das Finale der unvollendeten Oper entdeckt. Die nun eigens für das Große Festspielhaus konzipierte "Salzburger Fassung" ist eine Mischung mehrerer Versionen, in der "Les Contes d'Hoffmann" als durchkomponierte, große romantische Oper in der Wiener Tradition daherkommt. Und wer wäre für ein solches Unterfangen besser geeignet als die Wiener Philharmoniker?

Geleitet von Kent Nagano, fügen die Philharmoniker dem Glanz und Zauber der Offenbachschen Melodien eine düstere, bisweilen gespenstische Note hinzu. Bei aller musikalischen Noblesse raunt es immer wieder aus dem Orchestergraben, dass einem Schauer über den Rücken laufen. Auch die Regie betont das Element des Phantastischen und Unheimlichen, etwa im Antonia-Akt, wo der Himmel voller vergammelter Geigen hängt und vor allem im Giulietta-Akt, der ein surreal-schwules Venedig-Bild evoziert; Salvador Dalí und Thomas Mann lassen grüßen.

In der "Salzburger Fassung", die von Regisseur David McVicar - falls dieser Begriff angesichts der Unvollendetheit der "Contes d'Hoffmann" überhaupt sinnvoll ist - einigermaßen "werktreu" angelegt wird, ist neben Hoffmann die als Nicklausse verkleidete Muse, die einzig wahre Geliebte Hoffmanns, zentrale Figur. Neil Shicoff und Angelika Kirschschlager sind ein ungleiches Paar: Sie innig und lyrisch, er strahlend, bisweilen sogar heldisch, etwa in der - selten so verzweifelt klingenden - Ballade von Kleinzack (die ja ein Seitenhieb auf Richard Wagner ist, der zehn Jahre vor der Uraufführung von "Hoffmanns Erzählungen" gegiftet hatte: "Krak! Krak! Krakerakrak! Das ist der Jack von Offenback"). Ruggero Raimondi leiht den vier diabolischen Gestalten der Oper seine nuancenreiche Stimme und macht Lindorf/Coppélius/Docteur Miracle/Dapertutto zu einem wahrhaft teuflischen Gegenspieler Hoffmanns.

Glänzender Gesang

Die aberwitzigen Koloraturen der wunderbaren Lubica Vargicova machen nachvollziehbar, dass sich Hoffmann in eine mechanische Puppe verliebt. Doch die Sängerinnen der anderen Inkarnationen von Hoffmanns imaginärer großer Liebe stehen der Sängerin der Olympia in punkto Klasse nicht nach: Krassimira Stoyanova als Antonia, die sich ergreifend in den Tod singt und Waltraud Meier, die als Giulietta gekonnt zwischen tiefster Sinnlichkeit und größter Bösartigkeit changiert. Zu erwähnen wäre noch Jeffrey Francis in vier Nebenrollen, der vor allem als greiser Diener Franz glänzt, der sich in einem köstlichen Couplet noch immer für einen im Grunde hervorragenden Liebhaber hält.

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