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Benjamin Brittens "Peter Grimes" am Opernhaus Graz: Szenische Eintönigkeit und Leuchtkraft des Klangs.

Grau in Grau die Bühne. Klippen wie Beton. Kein Stückchen Himmel in Sicht. Wäre da nicht Brittens vielgestaltige Partitur, vom Grazer Philharmonischen Orchester unter Chefdirigent Philippe Jordan subtil zum Leuchten gebracht ...

Mit seiner ersten Oper, "Peter Grimes", begründete Benjamin Britten seinen Weltruhm. Das Werk zählt zu den erfolgreichsten Opern des 20. Jahrhunderts. Inspiriert von einer Ballade des Dichters George Crabbe entwarf Britten gemeinsam mit seinem Lebensgefährten, dem Sänger Peter Pears, die Geschichte um den an der eigenen Schwäche wie am Unverständnis der Gesellschaft scheiternden Titelhelden. War Grimes bei Crabbe abgrundtief böse, betonte Britten die inneren Widersprüche seines Charakters: das Schwanken zwischen hoffnungsvoller Zukunftsvision und Bereitschaft zu Gewalt. Angesiedelt um 1830 in einem Fischerdorf an Englands Ostküste, stellt Peter Grimes mit dieser Thematik zugleich eine britische "Nationaloper" wie auch ein Werk mit sehr persönlicher Aussage dar: Opfert doch der Fischer beinahe zwanghaft den ihm anvertrauten Waisenknaben seinem "bürgerlichen" Ehrgeiz. Der Komponist überlässt es dem Publikum, über Persönlichkeit und Motive des Helden zu urteilen.

In der Grazer Produktion konzentriert man sich ganz darauf, die erdrückende Atmosphäre des Geschehens in Szene zu setzen. Regisseur Stephen Lawless siedelt die Geschichte zwischen mobilen grau marmorierten Wänden in zeitloser Öde an. Was in einzelnen Momenten schlüssig erscheint - wenn beispielsweise im Prolog eine durchgehende Wand Grimes von den Dorfbewohnern trennt - wirkt insgesamt erdrückend. Nicht allen Protagonisten gelingt es, sich in solcher Enge zu entfalten. Großartig Ann Petersen als Ellen Orford, die ihre Sympathie für Peter durchwegs mit fesselnder Bühnenpräsenz vorstellt. Tadellos auch Jacek Strauch als eindringlicher Kapitän Balstrode. Anfänglich etwas blass, gewann Reiner Goldbergs Peter Grimes zunehmend an Profil: beeindruckend schließlich die hoffnungslos-heitere Glücksvision im 3. Akt. Manuel von Senden gab einen eifrigen Methodisten Boles. Gesanglich wie darstellerisch gekonnt Claire Powells detektivisch ambitionierte Mrs. Sedley. Bravourös realisierte das Orchester die vielschichtige Partitur, das Bühnengrau wirkungsvoll konterkarierend: Flirrende Klangflächen, von virtuosen Figurationen getragen, nahmen - Naturgewalten versinnbildlichend - plötzlich bedrohliche Dimensionen an. Die strahlende Morgenstimmung zu Beginn des 2. Akts, von Glockenklang der Messe im Hintergrund durchdrungen, erklang subtil und transparent. Für dramatische Höhepunkte sorgten die kraftvollen Chor- und Ensemblesätze, die die wachsende Feindseligkeit der Dorfbewohner gegenüber Grimes packend verdeutlichten. Choreografisch gelungen und präzise musiziert auch die an Bergs Wozzeck erinnernde Tanzszene des 3. Akts. Fesselnd schließlich das Ende, wenn sich die versuchte Rückkehr zur Normalität als unmöglich entlarvt.

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