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Puccini in einer glänzenden Aufführung der Wiener Volksoper.

Es beginnt als düsterer Science Fiction-Albtraum und endet als strahlendes Fantasy-Märchen: An der Wiener Volksoper spielt Giacomo Puccinis Turandot in einem Insektenstaat, in dem sich von Puppen und Larven bis zu Skarabäen und Schmetterlingen alles tummelt, was im Reich der Kerbtiere Rang und Namen hat. Die Aufführung ist zweifellos einer der Höhepunkte der Ära Rudolf Berger: Eine klar und stimmig erzählte Geschichte, perfekte Choreografien, prachtvolle Kostüme, atemberaubende Effekte, Stimmen ausgezeichnet, Orchester sehr gut und ein vortrefflich eingerichteter Chor. Was will man mehr?

Regisseur Renaud Doucet inszeniert ungemein phantasievoll, ohne dabei der Oper untreu zu werden: Zu Beginn blickt man ins Innere eines Insektenbaus, an dessen Decke die in Kokons eingesponnenen gescheiterten Verehrer der holden Made Turandot (Eva Urbanová) hängen. Namenlose Gliederfüßler recken ihre schwarzen Arme in die Höhe, eine riesige Gottesanbeterin verrichtet die grausige Arbeit der Henkerin. In diese unheimliche Welt treten drei Motten, die jede auf ihre Art nach Licht streben. Calaf (Ray Cornelius Smith) zieht es zu Turandot, die Sklavin Liu (Melba Ramos) zu Calaf, Timur (Albert Pesendorfer) hingegen träumt nur noch vom Glanz seiner früheren Macht. Das Drama nimmt seinen Lauf.

Würden die Stimmen nicht mit der Opulenz der Ausstattung korrespondieren, der enorme Aufwand von Bühne und Kostümen (André Barbe) würde wie Blendwerk wirken. Doch Eva Urbanovás Gesang vermittelt die dämonischen Anteile ihrer Figur ebenso brillant wie die leidenschaftlichen. Und der stark an Johan Botha erinnernde Ray Cornelius Smith schmettert sein "Nessun dorma" mit der erforderlichen tenoralen Strahlkraft hinaus - das Premierenpublikum war zu spontanem Jubel hingerissen. Publikumsliebling Peter Minich hat einen effektvollen Auftritt als Kaiser, der seinem Titel "Sohn des Himmels" mehr als gerecht wird. Zu den Farben auf der Bühne kommen noch die ebenso schillernden Klangfarben, die Leopold Hager dem Orchester der Volksoper Wien mit dem Taktstock entlockt. Nur die Saxophone, mit denen Puccini chinesisches Kolorit in die Komposition einbrachte, hätten der Dirigent in punkto Lautstärke mehr im Zaum halten sollen.

Am Ende entpuppt sich auch Turandot als Nachtfalter und entschwindet mit ihrem Prinzen ins Licht. Dass sich die Geschichte anders weiterspinnen lässt, zeigt die Qualität der Inszenierung: Auch eine Verwandlung in ein monströses Insekt, das den Geliebten beim Liebesakt zerfleischt, wäre durchaus denkbar - aber dazu bleibt Doucet der Vorlage zu treu.

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