Hommage an den Haus- und Komödiendichter

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Mit "Die Wirtin" führt Josefstadt-Direktor Herbert Föttinger seinen Lieblingsschriftsteller Peter Turrini auf. Damit setzt er eine bedeutende Tradition des Hauses fort.

Peter Turrini hat im Theater in der Josefstadt ein neues Bühnen-Zuhause gefunden. Nach den beiden Uraufführungen "Mein Nestroy" (2006) und der Goldoni-Bearbeitung "Der Diener zweier Herren" (2007) ist nun eine Neufassung seiner "Wirtin" mit Sandra Cervik in der Titelrolle zu sehen.

Frei nach Goldonis "Mirandolina" hat Turrini die Vorlage im Jahr 1973 bearbeitet und sich damit von einer Zuordnung als Dialektautor (etwa mit "rozznjogd") emanzipiert.

Hoch aktuelle Komödie

Nun hat Turrini für seine neue "Wirtin" den dramaturgischen Schraubenzieher angesetzt und die Scharniere des Stückes bearbeitet. Seine "Wirtin" ist damit weiterhin eine hoch aktuelle Komödie über Liebe und Ökonomie, Gleichberechtigung und Macht, Geschlechterkampf und Katholizismus. Seine Figuren sind keine Typen, wie in Goldonis Commedia dell'arte, sondern psychologisch durchdachte Figuren.

Atmosphärisch bedeutsam sind Wahl des Orts und der Zeit: In einer Trattoria irgendwo an der Adria ist die Hauptsaison vorbei, herbstliche Kälte zieht ein und die letzten Gäste sind ein paar halbseidene Italiener mit undurchsichtigen Absichten. Da ist der verarmte Marchese von Albafiorita (Florian Teichtmeister), der nicht nur am ansehnlichen Äußeren der Wirtin, sondern auch an ihrem Gasthaus Gefallen findet, sowie sein Gegenspieler, der wohlhabende Greis Baron von Ciccio (Fritz Muliar), der sich umgekehrt die Gunst der Frauen erkaufen möchte. Daneben konkurrenzieren der Kriminelle Fabrizio (Xaver Hutter), naiver Kellner, doch allzu bauernschlau, sowie der streng katholische Immobilienmakler und Frauenhasser Cavaliere Rippafratta (Ulrich Reinthaller). Mittendrinnen steht die Wirtin, Verführerin und kalte Geschäftsfrau, deren wichtigstes Ziel ihre Unabhängigkeit ist.

Kein wirkliches Happy-End

In kluger und strategisch hoch amüsanter Manier verführt sie den Cavaliere und entlarvt damit seine Vorurteile. Am Ende ist er der Hahnrei - und in der Neubearbeitung bleibt er es auch. Den Schluss, in dem ursprünglich die "wahren" Verhältnisse (also jene des Besitzes) über die Liebe siegen, hat Turrini zu einem versöhnlichen Komödien-Endes umgearbeitet: Der Cavaliere wird nun schlicht im Bühnenboden versenkt. Die Illusion wird damit doppelt gebrochen: Es gibt kein wirkliches Happy-End, aber auch der Kapitalismus hat verloren. Was siegt, ist Turrinis Lachen über all die neuen Möglichkeiten, aber auch der Feminist Turrini, der sich über Diskriminierung und Borniertheit lustig macht, ohne moralisch zu werden.

Regisseur Janusz Kica hat in seiner Inszenierung ganz auf das Komödiantische gesetzt und zusammen mit dem Bühnenbildner Kaspar Zwimpfer die diffuse Atmosphäre im spätherbstlichen Italien betont. Die Bedürfnisse der Touristen sind befriedigt, nun ist es Zeit zur Konsolidierung des Personals. An der überheizten Bar kokettiert Sandra Cervik augenzwinkernd als Wirtin und reüssiert in ihrem Spiel zwischen unschuldiger Miene und kalter Durchtriebenheit. Sie ist eine moderne, emanzipierte Frau, die sich - wenn überhaupt - solidarisch mit den beiden Schauspielerinnen Dejanira (Alexandra Krismer) und Ortensia (Eva Mayer) zeigt. Ihr stärkster Partner ist Ulrich Reinthaller, der als Cavaliere verliert und gewinnt, um wieder zu verlieren.

Auch Reinthaller setzt ganz auf das Komödiantische bei Turrini und verdichtet damit, was Direktor Föttinger formuliert: Turrini ist mit Recht der Haus- und Komödienautor der Josefstadt. Föttinger setzt damit eine bedeutende Tradition dieses Theaters fort.

Immerhin hat auch Max Reinhardt die Bühne im Jahr 1924 mit Goldonis "Diener zweier Herren" eröffnet und Stars wie Hermann Thimig an das Haus verpflichtet. Reinhardt machte die Josefstadt zu jenem großstädtischen Theater, in dem Hochkultur und Volkstheater einander nicht konkurrenzierten, sondern parallel bestehen konnten. Jene Geltung, die die Josefstadt damals erfahren hat, greift Föttinger heute wieder auf und führt sie erfolgreich mit seinem "Lieblingsdichter" Turrini fort.

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