Hymnen an die Nacht - Lob des Schlafes

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Im Angesicht des schlimms-ten Schicksalsschlages - dem Tod seiner jungen Verlobten - setzte der deutsche Dichter Novalis (1772-1801) der Nacht und dem Schlaf ein Denkmal. Zweihundert Jahre nach der Fertigstellung seiner "Hymnen an die Nacht“ hat der Schlaf kein gutes Image mehr. "Des Lichtes Fessel“ kann als Symbol einer immer hektischeren Welt durchgehen, in der Ruhephasen ohne sichtbare Aktivität verpönt sind. Nicht selten wird Schlafen als Zeitverschwendung gebrandmarkt. So genannte "Experten“ geben Tipps, wie man die Schlafdauer reduziert und damit mehr vom Tag hat. Jugendliche Partygänger begründen ihre wochenendliche Schlaflosigkeit mit Aussagen wie "Schlafen kann ich noch, wenn ich tot bin“.

Dabei ist Schlafen alles andere als sinnlos. Die wichtigste Funktion des Schlafes ist die Erholung. Schlechter Schlaf hat negative Auswirkungen auf die Funktion unseres Immunsystems, die psychische Gesundheit und unsere kognitive Leistungsfähigkeit. So zeigte eine Studie bei jungen gesunden Erwachsenen einen Zusammenhang zwischen einer negativen Einschätzung der eigenen Schlafqualität und höherer Depressivität. Besonders bedeutsam für die Qualität des Schlafes ist vor allem die Einschlaflatenz, also die Zeitdauer zwischen dem Zu-Bett-Gehen und dem Einschlafen.

Auch kommt es nicht von ungefähr, dass Schülern und Studenten vor Prüfungen empfohlen wird, vor allem gut zu schlafen. Menschen schneiden nach Nächten mit Schlafentzug bei der Lösung von kognitiven Aufgaben signifikant schlechter ab. So wie Schlaf Leistungen beeinflusst, geht es auch umgekehrt. Hohe berufliche Leistungsanforderungen und Stress können Schlafschwierigkeiten auslösen - ein Teufelskreis beginnt: Häufigere Fehlzeiten, mehr Unfälle, häufigere Fehler, niedrigere Arbeitszufriedenheit und schlechtere Karrierechancen sind nachgewiesene Folgen schlechten Schlafes.

"Heiliger Schlaf“

Demnach sind schlechter Schlaf und Schlafstörungen nicht nur ein Gesundheits-, sondern auch ein wirtschaftliches Problem. Dazu gehört es, nicht einschlafen zu können sowie häufig oder viel zu früh aufzuwachen. Abhilfe schaffen können Schlafhygiene, Entspannungsübungen oder in schwereren Fällen Medikamente. Angesichts aktueller Forschungsdaten lohnt es sich, den Schlaf schätzen zu lernen und ihn nicht als sinnlose Zeit zu verunglimpfen: Wer weniger schläft als er müsste, erhöht zwar die Wachstunden, aber keineswegs die Arbeitsproduktivität.

Schlechter Schlaf reduziert die Lebensqualität, verschlechtert die Gesundheit und vermindert auch die Lebenserwartung. Novalis hatte recht, als er schrieb: "Heiliger Schlaf - beglücke zu selten nicht der Nacht Geweihte in diesem irdischen Tagewerk“, denn: "Nur die Thoren verkennen dich und wissen von keinem Schlafe ...“

* Der Autor ist Medizin- und Wirtschaftspsychologe in Salzburg

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