„Ich bin dein Labyrinth“

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Mit der heftig akklamierten Uraufführung von Wolfgang Rihms Nietzsche-Oper „Dionysos“ eröffneten die Salzburger Festspiele den Reigen ihrer Musiktheaterproduktionen. Dabei zeigt sich Rihm stets als Meister punktgenauer Artikulation. Die Musik präsentiert sich lichtdurchflutet.

Über 400 Werke umfasst das Œuvre des 1952 geborenen Wolfgang Rihm. Ende der 1970er-Jahre machte er mit seiner Kammeroper nach Georg Büchner „Jakob Lenz“ international auf sich aufmerksam. Seit dem hat sein Interesse am Musiktheater nicht nachgelassen. Auch nicht das an Friedrich Nietzsches Dionysos-Dithyramben. Seit dreißig Jahren zählen sie zu seiner ständigen Lektüre.

Mitte der 1980er-Jahre meinte er, Nietzsche könne man nicht vertonen. Zehn Jahre später wendete sich das Bild. Nicht zuletzt in Gesprächen mit Ingo Metzmacher sinnierte er über eine Nietzsche-Oper. Begonnen hat er sie allerdings weder während Metzmachers Tätigkeit als Opernchef in Hamburg noch in Amsterdam. Erst die Salzburger Festspiele gaben Rihm die längst erwünschte Initialzündung.

Momente aus Nietzsches Leben

Auch an der Salzach musste man sich in Geduld üben. Erst wenige Monate vor der Premiere lag diese Opernfantasie – eine Koproduktion der Salzburger Festspiele, der Nederlandse Opera Amsterdam und der Berliner Linden-Oper – fertig vor. Regisseur Pierre Audi und Bühnenbildner Jonathan Meese hatten für die ersten Vorbereitungen kaum mehr als grundsätzliche Hinweise zur Verfügung.

Aber bei „Dionysos“ handelt es sich ohnedies nicht um Musiktheater im üblichen Sinn. Vielmehr um eine die Doppelbödigkeit der von Rihm ausgewählten Texte betonende, vielfach ins Groteske und Burleske kippende Assoziationsfolge, deren Bilder Momente aus Nietzsches Leben fokussieren: wie seine von Eros erfüllte Begegnung mit Cosima Wagner, sein am Beispiel von Ein Gast (der später zu einer Puppe und Apoll mutiert) und der schrillen Szenerie eines Freudenhauses demonstriertes erfolgloses Suchen nach persönlicher Beziehung, sein Einschreiten gegen einen (hier gesichtslos gezeigten) Mann, der auf sein Pferd einschlägt – ein für den Philosophen so einschneidendes Erlebnis, dass der von Syphilis Geplagte in geistige Umnachtung fiel.

Folgerichtig sind ein See im Gebirge, als Metapher der Einsamkeit, ein sich in drei unterschiedlichen Versionen zeigender Innenraum und ein Platz die Schauplätze, für die Meese eine Vielzahl von Requisiten eingefallen sind – einschließlich eines vom Bart Nietzsches inspirierten Felsen, einer in den Himmel ragenden Leiter, die Bergspitzen symbolisierender Pyramiden, lebensgroßer Luftballone, künstlerisch verfremdeter Instrumente. Schließlich will N. (so die Metapher für Nietzsche) als Wanderer ein vom Klavier begleitetes Lied loswerden. Bei solcher Vielfalt und Buntheit kann sich die Regie nobel auf stimmige Arrangements zurückziehen.

Sachkundige Begleiter

Ohnedies dominiert die sich aus der Tradition eines Berg, Strauss, Hartmann herleitende packende, expressive Musik das jeweilige Geschehen. Sie präsentiert sich trotz großer Orchesterbesetzung stets durchsichtig und lichtdurchflutet, wartet zwischendurch mit dramatischen Aktionen auf, die nie das Wort der zu höchster Kunstfertigkeit angehaltenen exzellenten Singdarsteller – voran die mit höchster Virtuosität agierende Mojca Erdmann (Ariadne), Elin Rombo, Virpi Räisänen, Julia Faylenbogen, Johannes Martin Kränzle (N.) und Matthias Klink (Ein Gast/Apollon) – verdrängen.

Dabei zeigt sich Rihm stets als Meister punktgenauer Artikulation. Damit warten auch die perfekt einstudierte Konzertvereinigung Wiener Staatsopernchor (Jörn H. Andresen) und das mit hohem Engagement musizierende Deutsche Symphonie-Orchester Berlin unter seinem ideal die Ensembles führenden Chefdirigenten Ingo Metzmacher auf. Sachkundigere Begleiter durch Nietzsches Labyrinth hätte man kaum finden können.

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