"Ich bin für night science"

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Josef Penninger, Direktor des Instituts für Molekulare Biotechnologie (imba) in Wien, stellte sich im Rahmen der Reihe Forum Sacré CSur den Fragen der Schülerinnen und Schüler.

Der 1990 zum Doktor der Medizin promovierte Immunologe fand bereits sehr früh mehr Gefallen an der Entwicklung als am Verschreiben neuer Arzneien. In Kanada erzielte Josef Penninger seine ersten Forschungserfolge. Auf Anfrage der Akademie der Wissenschaften kehrte er 2002 in sein Heimatland zurück, 2003 wurde er zum wissenschaftlichen Direktor des Instituts für Molekulare Biotechnologie (imba) in Wien ernannt. Beim Forum Sacré CSur erzählte Penninger über seine Schulzeit im Internat, seine wissenschaftliche Tätigkeit in Toronto und schließlich über den Aufbau des imba und die Arbeit mit seinem Forschungsteam.

Alles, was mit Gentechnik und Genetik zu tun hat, wird von der Öffentlichkeit ängstlich beobachtet. Inwieweit, glauben Sie, ist diese Angst berechtigt?

Josef Penninger: In den "Brüdern Karamasow" heißt es in einem Kapitel: "Jeder Stab hat zwei Enden." Ich möchte das aufgreifen, um zu sagen, dass uns klar werden muss, dass es immer eine gute und eine schlechte Seite gibt. Gerade die Forschung ist ein gutes Beispiel dafür, dass man manchmal nicht wirklich abschätzen kann, was passieren wird. Doch erstaunlicherweise stößt man bei der Arbeit auf Dinge, die wirklich etwas bringen! Ich bin der Meinung, die Menschen sollten kritisch sein und den Dialog suchen. Wir brauchen eine gewisse Akzeptanz seitens der Gesellschaft. Deshalb haben wir am Institut das so genannte "open lab" eingerichtet, in das schon sieben- bis achtjährige Kinder kommen können, um genetische Krankheiten verstehen zu lernen.

Wie sieht es mit der Umsetzung Ihrer Forschungsergebnisse aus?

Penninger: Die Umsetzung dauert meist ziemlich lange. Viele Entdeckungen werden gar nicht umgesetzt, da die Wissenschaft auf die Sponsorgelder der großen Firmen angewiesen ist. Diese wiederum unterstützen nur Dinge, die sich lohnen. Es dauerte zum Beispiel einmal zehn Jahre, eine Sache umzusetzen, obwohl bekannt war, dass sie funktioniert. Schuld waren die hohen Entwicklungsgelder.

In der Bevölkerung herrscht eine gewisse Wissenschaftsverdrossenheit. Viele sind überhaupt der Meinung, dass sie nach der Schule nie wieder Physik oder Chemie brauchten. Hätten Sie Vorschläge, wie man dieser Verdrossenheit entgegenwirken könnte?

Penninger: Ich muss sagen, dass ich keine Ahnung von Chemie und Physik mehr habe. Wichtig ist das Querdenken. Die Details zu einer Sache kann sich jeder aus dem Internet holen. Wichtig ist es Neues zu schaffen, und dafür müssen die Querköpfe gefördert werden, was nicht immer so angenehm ist, weil sie die schwierigsten Fälle sind. Aber ich finde, dass man sich dieses Kindliche und diesen nomadischen Geist bewahren sollte. Es gibt nichts Schöneres als Forschen. Ich habe früher nie gedacht, dass ich damit mein Geld verdienen kann. In der Kronen Zeitung habe ich gelesen, dass die Österreicher Forscher werden wollen. Daher müssen Institutionen zur Förderung der Wissenschaft geschaffen werden.

Wie groß ist die Bereitschaft der Österreicher für das Querdenken? Es heißt immer, Österreich sei ein konservatives Land.

Penninger: Ich denke, wir Österreicher sind prädestiniert für das Querdenken, spätestens seit Johann Nestroy. Es gibt keinen Grund, warum wir das nicht können sollten. Doch in der Schule werden die Geister gebrochen, denn das Auswendiglernen ist nicht interessant. Wir sollten vielmehr den Geist fördern. Was wirklich fehlt, sind Institutionen, Universitäten und Colleges für clevere Kids, die gefördert werden. Sie kommen oft nicht weiter, weil sie nie wirklich die Chance haben, das zu machen, was sie wollen. Was mir bei den österreichischen Studenten im Vergleich zu den amerikanischen fehlt, sind "sparks in the eyes"!

Sie haben Medizin studiert, warum sind Sie in die Forschung gegangen und nicht wie Ihr Vater Gemeindearzt geworden?

Penninger: Ich habe mich damals in fünf Minuten für das Medizinstudium entschieden. Eigentlich wollte ich Mathematik und Physik studieren. Man kann sagen, dass meine Karriere passiert ist. Es ist wie die Chaostheorie. Ich hätte auch nicht den Charakter zum Arzt! Für die Charakterbildung ist es wichtig, fremde Kulturen kennen zu lernen. Einfach für kurze Zeit aus dem Zug auszusteigen und woanders hinzugehen. Ich habe es gemacht und mir hat dies sehr geholfen.

Ist in Ihrer Welt der Wissenschaft noch Platz für Gott und den Glauben?

Penninger: Wir sind einfach zusammengesetzte Gene. Wenn es darauf ankommt, dann wäre ich für Einstein: "Gott würfelt mich!" Ich glaube schon, dass er mit uns spielt.

Wie wählen Sie Ihre Projekte aus?

Penninger: Gott! (räuspert sich) Das hört sich vielleicht deppert an, aber wenn man das Gefühl in den Fingern hat, dann muss man es halt machen. Also, als wir das mit den Knochen angefangen haben, war das reiner Zufall. Wir entscheiden schon rational, wir wissen meistens, was wir tun - aber dann ist auch wieder das irrationale Element dabei. Ich glaube, das ist das Wichtigste an guter Forschung. Das nennen wir "night science". Es gibt die Tageswissenschaft, das kann jeder. Und dann gibt es auch noch die Nachtwissenschaft. Da tasten wir uns heran, weil es so dunkel ist. Aber das ist die spannende Wissenschaft, die wir fördern müssen. Die Firmen in den usa geben viel mehr für die Wissenschaft aus. Hier in Österreich hingegen wird immer so lange herumdiskutiert, und nach einem Jahr weiß man noch immer nicht, ob man das Projekt jetzt finanzieren soll. Die Leute, die wir fördern wollen, sind Nachtwissenschaftler. Das sind Leute, die anders denken. Ich glaube, dass viele das Potenzial haben.

Sie haben Bewerbungen mit 300 Personen angesprochen. Wie wählen Sie die zwanzig Besten aus? Was müssen die ausstrahlen, was müssen die mitbringen, damit Sie sagen: "Den nehmen wir"?

Penninger: Sie müssen ein Masters-Degree haben, auf einer Uni studiert und ein Diplom haben. Dann müssen sie sich bei uns bewerben und einen Aufsatz schreiben. Die besten 40 laden wir nach Wien zu einem Interview ein. Die Aufgenommenen werden gut bezahlt, damit sie sich primär auf die Forschung konzentrieren können.

Die Fragen stellten Fabian Bauer (8a), Irene Kain (8a), Asha Leisser (8b), Anna Popovics (6a), Michael Roxas (8a) und Michael Tancsits (8b).

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