Ich bin jung und brauch' das Geld

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In der "Millionenshow" bei Armin Assinger.

Ich liege im Bett eines Hotels am Flughafen Schwechat und starre auf die Leuchtziffern der Uhr. Schon 1.37 Uhr, und ich kann noch immer nicht einschlafen. Dabei muss ich doch fit sein für die "Millionenshow"! In drei Stunden läutet der Wecker.

Nach vielen Bewerbungen im Internet und dem Beantworten einiger Fragen am Telefon hat es nun geklappt: Ich bin Kandidatin in der Sendung 556 und auf dem Weg nach Köln, wo der ORF die Sendung aufzeichnet. Neben mir schlummert entspannt A., die zum Daumendrücken vor Ort mitreisen wird.

Woher stammt eigentlich der Ausdruck "Seid umschlungen, Millionen!"? Könnte das eine Frage sein? Immer dieses Inselwissen! Geografie ist trotzdem keine meiner Stärken.

Irgendwann bin ich doch noch eingeschlafen und sitze jetzt übernächtig im Morgenflieger nach Düsseldorf. Gleich muss die Maschine aufsetzen. Doch statt des sanften Ruckens drückt es uns in die Sitze, wir starten noch einmal durch. Eines der Hydrauliksysteme ist ausgefallen, doch das ist alles kein Problem, behauptet der Kapitän. Wir kreisen eine halbe Stunde über dem Flughafen, unter uns die Atomkraftwerke. Schließlich können wir aber doch noch landen, die neben der Landebahn aufgereihten Feuerwehrwägen kommen nicht zum Einsatz, nur ein Traktor muss uns abschleppen, da die Maschine unlenkbar ist. Hinter mir seufzt eine Kandidatin, die unter massiver Flugangst leidet: "Wenn ich eine Million gewinne, fahre ich mit dem Taxi zurück nach Österreich!"

Mit dem Bus geht es von Düsseldorf nach Köln ins Hotel und anschließend gleich ins Studio. Den Dom sehe ich nur einmal kurz im Vorbeifahren, A. darf ihn mit den anderen Begleitpersonen auf einer Stadtrundfahrt besichtigen.

Kostümcheck

Im Studio werden wir von den Redakteurinnen empfangen, die uns den Ablauf erklären und die Spielregeln erläutern. Wir dürfen auf dem Stuhl in der Mitte ein paar Probefragen beantworten und werden gebeten, zwei Sätze nicht zu sagen: "Es war sehr schön, es hat mich sehr gefreut!" Und: "Ich höre auf, die anderen wollen auch noch drankommen!"

Die Stimmung im Studio ist entspannt, die Redakteurinnen freundlich, nur die Stylistin muss hin und wieder etwas lauter werden, um alle 30 Kandidaten plus Begleitpersonen rechtzeitig durch den so genannten "Kostümcheck" zu bekommen. Dort muss die für den Auftritt mitgenommene Kleidung hergezeigt und auf Kameratauglichkeit geprüft werden.

An einem Ende des engen Ganges befindet sich der Raucherraum, am anderen Ende der Aufenthaltsraum. Das bedeutet: Vorne riecht es nach Essen, und hinten stinkt es nach Rauch; ich sitze in der Mitte und warte auf die Maske. "Und wie sind Sie in Naturwissenschaften?" fragt mich der nette ältere Herr aus meiner Runde, der neben mir auf die Visagistin wartet. Es stellt sich heraus, dass er als ehemaliger Professor meinen Chemie-Telefonjoker an der Uni unterrichtet hat.

Der Zeitpunkt der Wahrheit rückt näher, eigentlich fühl' ich mich ganz gut, mein Puls geht relativ normal, nur meine Hände sind eiskalt. A. ist von der Stadtrundfahrt mit den anderen Begleitpersonen zurückgekehrt und gut in Stimmung, es gab Kölsch.

Dann geht es auch schon los, wir werden ins Studio geführt, und Kandidatin N., die von der letzten Sendung noch übrig geblieben ist, startet in der Mitte und gewinnt 15.000 Euro. Welche war noch einmal meine Kamera? Ich höre meinen Namen und lächle in das schwarze Ding mit dem Rotlicht. Dann die erste Auswahlfrage, die ich zwar richtig, aber leider viel zu langsam beantworte: "Ordnen Sie folgenden Ländern ihre früheren Bezeichnungen zu: Sri Lanka - Taiwan - Simbabwe - Äthiopien" Kandidatin B. hat die Antwort "Ceylon - Formosa - Rhodesien - Abessinien" zwar nur geraten, war aber trotzdem richtig und die Schnellste und darf in die Mitte.

Armin Assinger ist einmal die Schischuhe gefahren, die mein Onkel erzeugt hat. Deshalb fallen ihm mein Familienname und der Ort, aus dem ich komme, auf. Er spricht mich während der ersten Unterbrechung darauf an, und ich hab' jetzt zu Hause schon was zu erzählen.

Assinger, who?

Der Warm-Upper bemüht sich, die Stimmung zu halten und macht in den Pausen Witze mit dem Publikum. Sein erklärtes Lieblingsopfer an diesem Abend: Kevin aus Frankreich, der mit seiner deutschen Freundin und deren Mutter in der zweiten Reihe sitzt und praktisch kein Deutsch versteht. Er ist aber bei weitem nicht der einzige im Publikum, der nicht alles mitbekommt, auch manche Menschen mit Deutsch als Muttersprache schätzen ihre Verständnisquote des Assingerischen auf 30 Prozent. A. findet heraus, dass sich die meisten für Karten für die Show mit Günther Jauch, die im selben Studio aufgezeichnet wird, angemeldet haben. Für "Wer wird Millionär?" gibt es aber eine Wartezeit von fast zwei Jahren, darum nehmen viele die Möglichkeit wahr, sich einmal die österreichische Version anzusehen. Auch wenn sie noch nie in ihrem Leben von Armin Assinger gehört haben.

Kandidatin B. sitzt nun in der Mitte, lässt sich Zeit bei der Beantwortung ihrer Fragen und muss dann auch noch eine Yogaübung vorführen. Assinger macht mit und steht auf einem Bein, das Publikum klatscht, ich schaue auf die Uhr. Endlich! Die zweite Auswahlfrage! Albumtitel sind chronologisch nach dem Zeitpunkt ihres Grammygewinns zu ordnen. Ich überlege kurz, drücke bei über acht Sekunden auf das OK-Feld meines Touchscreens und bin leider falsch. M. aus Salzburg hat als einzige die richtige Antwort getippt ("Strangers in the night - Hotel California - Joshua Tree - Come away with me") und darf in die Mitte. Sie ist sehr nervös und benötigt schon bei der 400-Euro-Frage die dezente Unterstützung von Armin Assinger. Die Zeit verrinnt, und M. überlegt. Ich schaue auf die Uhr. M. verbraucht ihre Joker und überlegt wieder. Ich schaue auf die Uhr und bin mir sicher, dass das nichts mehr werden wird mit mir und dem Assinger heute. M. ist mir aber trotzdem sympathisch, denn mit einem hohen Gewinn würde sie ihren Kindern einen Fußballplatz kaufen, um sie vom Terror der lärmempfindlichen Nachbarn zu erlösen. Das wird sich nicht ganz ausgehen, aber 10.000 Euro hat sie immerhin gewonnen.

Der Moderator verabschiedet sich von den Zusehern zu Hause, Schlussapplaus, die Lichter gehen an. Noch ein schnelles offizielles Foto in der Mitte, wenigstens da habe ich es auf den heißen Stuhl geschafft. Dabei hätte ich ja sogar farblich zu Armin Assinger gepasst, er trägt lila Hemd und Krawatte, ich ein violettes Oberteil.

Nach meinem Auftritt sitzen A. und ich bei den beiden Sendungen, die gleich anschließend aufgezeichnet werden, im Publikum. Der Moderator erscheint zwar zu jeder neuen Aufzeichnung frisch gestylt, wirkt aber im Laufe des Abends doch etwas mitgenommen und genauso müde wie manche seiner Schmähs.

Kurz vor 22 Uhr ist die Aufregung endgültig vorbei und die letzte der drei Sendungen im Kasten. Die Kandidaten erledigen schnell ein paar Anrufe, um die Telefonfreunde vom nervösen Warten neben dem Apparat zu erlösen und der Familie die Hoffnung auf das große Geld zu nehmen. "Du, Schatzi, wir bleiben arm!" gibt da neben mir ein Oberösterreicher durch.

Kölscher Trost

Gewinnerin B. ist nicht zufrieden mit ihren 5000 Euro - "Es hätte mehr sein müssen!" - und deswegen wahrscheinlich auch nicht in Feierlaune, sie verschwindet im Hotel gleich auf ihr Zimmer. Ich habe dafür vollstes Verständnis, schließlich wird sie einmal die Apotheke ihrer Mutter in Wien-Döbling übernehmen und braucht dann sicher jeden Cent. A. und ich lassen die vom ORF erstatteten Reisekosten umgehend in die deutsche Volkswirtschaft zurückfließen und bestellen Kölsch an der Hotelbar. Wir sind uns sicher, dass einer der Gewinner ein paar Runden ausgeben wird und freuen uns auf einen netten Ausklang des anstrengenden Tages.

Einige Stunden später haben wir viel gelacht, aber die Hoffnung auf spendable "Millionenshow"-Gewinner aufgegeben, wir sitzen auf dem Trockenen. Keiner der Gewinner hat uns auch nur ein kleines Kölsch spendiert!

Um 2.30 Uhr falle ich ins Bett und mache mir zwar weiterhin Sorgen um mein Minus auf dem Konto, aber dafür sicher nicht um Einschlafstörungen wie vor fast 24 Stunden. Vom Ausflug nach Köln bleiben mir also zwei Sekunden Großaufnahme im ORF-Hauptabendprogramm, ein nur unwesentlich längeres Gespräch mit Armin Assinger und die Gewissheit, dass A. und ich die Letzten in der Hotelbar waren.

Dabeisein war leider alles, sie haben nicht gepfiffen, die Komantschen. Aber schließlich hat Armin Assinger auch über hundert Weltcuprennen benötigt, um vier davon zu gewinnen. In sechs Wochen darf ich mich wieder als Kandidatin bewerben, vielleicht mache ich das sogar.

Die Autorin studiert Politikwissenschaft in Wien.

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