Ich glaube an den Druckfehler

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Es geschah einst in St. Gallen und Karl Kraus hatte seine wahre Freude daran. Im Inseratenteil einer Lokalzeitung stand zu lesen: "König Lehar. Trauerspiel in fünf Aufzügen von W. Shakespeare". Die Glosse des Sprachkritikers dazu trug den Titel "Ich glaube an den Druckfehlerteufel". Denn "da gibt's gar nichts zu lachen ... Der Setzer hat keinen Witz machen wollen", sondern "die Assoziation, die ihm in die Arbeit gerät, ist der Maßstab der Zeit. An ihren Druckfehlern werdet ihr sie erkennen."

Auch im Computerzeitalter blickt der Fehlerteufel den Redakteuren bisweilen über die Schulter. So hat ein Wiener Blatt vor ein paar Jahren Pfitzners Palestrina zum Nahostdrama Palästina verfremdet. In Salzburg wiederum hieß der Untertitel von Tankred Dorsts Erfolgsstück Merlin nicht "das wüste Land", sondern "die Wüste lebt". Da hat wohl eine Jugenderinnerung an Walt Disneys Paradefilm nachgewirkt.

Versprecher werden über das Anekdotische hinaus seriös gesammelt und nach fachlichen Kriterien methodisch bewertet. Zur Zitatreife ist inzwischen der Anfangssatz einer akademischen Vorlesung gelangt: "Unvorbereitet wie ich mich habe". Diese sprachliche Fehlleistung eines Professors enthält vielleicht eine tiefere Wahrheit und ruft Sigmund Freud auf den Plan. Aus eigener Erinnerung kann ich den verzweifelten Versuch eines Mitmenschen beisteuern, auf den Namen des Sängers Fischer-Dieskau zu kommen. Er landete schließlich bei Müller-Thurgau, was ihn zumindest als Weinkenner auswies.

Es gibt freilich auch Druckfehler, die den originalen Sinn weit hinter sich lassen. So hat einst der Philosoph Ernst Bloch darauf bestanden, das Versehen "im Drüben fischen" im Text zu belassen. An den transzendentalen Mehrwert dieser Phrase kam nämlich die ursprüngliche Formulierung ("im Trüben fischen") nicht annähernd heran.

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