Werbung
Werbung
Werbung

Thomas Larcher, Komponist des Eröffnungskonzerts, Pianist, Pädagoge: ein Porträt von ursula strohal

Nichts an Thomas Larcher ist barock, nur eines: sein umfassendes Verständnis des Musikerseins. Es fächert sich mit großer Selbstverständlichkeit auf in verschiedene Funktionen, die sich gegenseitig speisen.

Das Komponieren und das Klavierspielen stehen in einem engen, stets erneuerten Wechselverhältnis zueinander. Der Pianist setzt intelligent und behutsam seine Programme so an, dass die Aufmerksamkeit der Zuhörer von der Tastentheatralik weg auf das Innere der Musik gelenkt wird. Seine CD mit Schubert und Schönberg ist ein exquisites Beispiel dafür. "In Formen, die das Hören fokussieren, sehe ich heute eine Chance von Klavierabenden", sagt Larcher. "Denn eines kann das Klavier: es kann einen künstlichen Raum von Zeitgleichheit herstellen, Musik von Bach bis Stockhausen kann gut nebeneinander existieren. Das muss sinnfällig erlebbar sein."

Dieser zwanglos pädagogische Ansatz war auch leitend, als der Tiroler in seiner Heimatstadt Schwaz das Festival "Klangspuren" gründete. Es war innerhalb kürzester Zeit verwirrend erfolgreich: Die Konzerte mit neuer und neuester Musik, dargeboten in Kirchen, Turnsälen, Fabriken und der nahen Fleckviehversteigerungshalle, ausgeweitet auf benachbarte Orte und Innsbruck, sind ausverkauft. Die "Klangspuren" wurden zum internationalen Phänomen.

Neue Musik, sagt Larcher leidenschaftlich, müsse nicht als elitär und schwierig, sondern solle als "lustvoll und kreativ" begriffen werden. Selbst der oberflächliche Zugang erschließe vieles. Lustvoll stiftet er auch Verbindungen zwischen der professionellen heimischen Musikszene und geladenen Stars, vergibt Aufträge und fördert den Komponistennachwuchs.

"Nicht Luxus, Substanz"

Solche Zusammenschau wird Bestand haben, auch wenn Larcher vor wenigen Monaten, im zehnten Jahr der "Klangspuren", sein Festival abgab. In Tirol programmiert er weiterhin eine in seinem Sinn erlesene Kammermusikreihe in den Swarowski-Kristallwelten, heuer mit Ian Bostridge, Leif Ove Andsnes, Oleg Maisenberg, dem Artemis Quartett und Grigori Sokolov. "Nicht Luxus, Substanz" ist es, was ihm für diese Reihe vorschwebt.

Das Jahr 2000 hatte Larcher allein Johann Sebastian Bach gewidmet und dafür alle anderen Auftritte zurückgestellt. Vor zwei Jahren erhielt er eine Klavierprofessur an der Basler Musikhochschule. Es schien natürlich, dass er es war, der die berühmte Klasse des Pianisten und Komponisten Jürg Wyttenbach samt dessen Kurs für Neue Musik übernahm. Außerdem unterrichtet Larcher Kammermusik.

Er wollte auch mehr Zeit zum Komponieren haben. Der CD "Naunz" (2002, ECM) werden weitere Einspielungen eigener Werke folgen: das Bratschenkonzert, die beiden Streichquartette, die Lieder, die Juliane Banse so sensibel formt. "Naunz" enthält das Titelstück für Klavier solo, "Noodivihik" und das "Antennen-Requiem für H.", Partner im Trio "Kraken" sind der Geiger Erich Höbarth und der Violoncellist Thomas Demenga. Für ihn schrieb Larcher 1998 das Cellosolo "Vier Seiten".

Die Mitteilungskraft von Larchers Musik ist in ihrer Konzentration nicht an Bilder gebunden. Sie äußert sich absolut, in - durchaus auch experimentellem - Klang, Rhythmus, dynamischer Intensität und einer speziellen Zeiterfahrung im Dehnen, Raffen, Verschieben und Überlagern.

Nicht für die Ewigkeit

Larcher schreibt nicht für die Ewigkeit. Das ist ihm zu hypertroph. Er sucht nicht zwanghaft das Neue, aber er findet das Innovative, weil er ein stets Beginnender und niemals ein Verharrender ist. Er arbeitet an keiner bestimmten Ästhetik, sondern schafft freie Felder, für sich und andere. Musik muss es freilich sein, "hörbar auch für Menschen, die nichts mit moderner Musik zu tun haben, und so notiert, dass sie für den Interpreten auf Anhieb klar und einfach dechiffrierbar ist". Für die Münchner Biennale arbeitet er im Auftrag Peter Ruzickas an einer Kammermusik, für die Düsseldorfer Tonhalle entsteht ein Orchesterwerk. Pianistisch ist Larcher in nächster Zeit u. a. in Luzern, Salzburg, Innsbruck und Stuttgart zu erleben. Und in Alpbach.

"Nyamwezi", erläutert der Komponist, "ist bis auf den bewegten Mittelteil ein eher statisches, ein kleines Stück, melodisch eingängig." Larcher wird es selbst mit dem Klarinettisten Paul Meyer uraufführen. Benannt ist es nach einem afrikanischen Stamm, weil Larcher von diesem eine Figur besitzt, "die mir beim Komponieren auf die Finger schaut". Ein klangmalerischer Titel, nichts weiter. Aber das "einfache" Duo ist im Fall Larcher zu hinterfragen. Seine Stücke werden in der Beschränkung der Mittel reich. "Ich brauche die Reduktion, weil man in der Fülle des möglichen Materials versickert. Ich lasse viel weg. Die unorientierte Farbtopfmalerei ist tödlich, wenn man was auf den Punkt bringen will. Gerade im Kleinen suche ich das Material für die großen Dinge. Innerhalb der totalen Freiheit muss man etwas finden, was man bewusst für sich auswählt." Das gehe parallel zum normalen Leben.

"Früher war das Problem, an keine Information heran zu kommen. Heute ist das Problem, dass man sich von diesem Schrott befreien muss, damit nicht die eigene Arbeit überflutet wird."

Die Autorin ist Kulturredakteurin der "Tiroler Tageszeitung".

Thomas Larcher, geb. 1963, studierte Klavier und Komposition an der Wiener Musikhochschule. Er gehört zu den ungewöhnlichsten österreichischen Musikern - und zu den wichtigsten. Er verweigert sich dem kommerziellen Marktritual und gewinnt ein großes Publikum für die Neue Musik, er öffnet die Sinne und ist selbst am Kreativsten in der Reduktion. Der Komponist, Pianist, Pädagoge und Programm-Macher eröffnet das Europäische Forum Alpbach 2003 musikalisch mit der Uraufführung seines Stückes "Nyamwezi" für Klarinette und Klavier.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung