"Ich lebe einfach für den Sport“

Werbung
Werbung
Werbung

Niemals aufgeben ist Wolfgang Schattauers Lebensmotto: Nach einem beinahe tödlichen Unfall hat sich der ehemalige Triathlet mit eiserner Disziplin - und der Hilfe seiner Familie - wieder zurück in den Spitzensport gekämpft.

Ds ist der 30. Juli 1999: Wie so oft schwingt sich Wolfgang Schattauer auf sein Rennrad, um sein tägliches Trainingspensum abzuspulen. Auf der B 16 nahe Ebreichsdorf wird er plötzlich von einem Kraftfahrzeug frontal erfasst und in den Straßengraben geschleudert. Als er wieder zu sich kommt, ist er allein. Der Unfallverursacher hat Fahrerflucht begangen, er wurde bis heute nicht gefunden. "Ich konnte meine Beine nicht spüren, mein Brustkorb fühlte sich an, als läge ein großer Stein darauf“, erinnert sich Schattauer. Nur mit Mühe kann er sein Handy aus der Tasche ziehen und irgendeine Notrufnummer wählen. Endlich hört er die Rettung kommen, dann den Hubschrauber, der ihn nach Wien ins Krankenhaus bringt.

"Es schaut schlecht aus“, ist alles, was die Ärzte zu seiner Frau sagen. Acht Wirbel sind gebrochen, sämtliche Rippen auch, zwei Liter Blut stecken in der Lunge. Doch Ingrid Schattauer lässt sich nicht entmutigen, veranlasst mit Hilfe befreundeter Ärzte seine Verlegung ins Lorenz-Böhler-Unfallspital. Dort erkennt der geschulte Blick des Röntgenologen neben den Brüchen auch ein lebensbedrohliches traumatisches Aorten-Aneurysma, das sofort operiert werden muss. Schattauer überlebt. Auch dank seines langjährigen Trainings und seiner körperlichen Fitness.

Rehabilitation ohne Pause

So bald wie möglich, beginnt er wieder zu trainieren. Und nur ein Jahr nach dem Unfall kehrt er an seinen Arbeitsplatz im Innenministerium zurück. "Ohne Sport werde ich unrund!“, sagt der ehemals erfolgreiche Triathlet und Marathonläufer. Und wie er da in der Kantine des Innenministeriums im schwarzen Sportdress in seinem Rollstuhl sitzt, glaubt man ihm das aufs Wort.

Schon bei der Rehabilitation am Weißen Hof wundern sich viele Umstehende, dass dieser Patient am Wochenende nicht nach Hause will, sondern im Hof unbeirrt seine Runden im Rollstuhl dreht. Doch das Zuhause ist damals eine Wohnung im zweiten Stock, in die er nur mithilfe einer Treppenraupe gelangt. Erst der Verkauf der Wohnung und der unermüdliche Einsatz seiner Frau Ingrid ermöglichen es dem Paar schließlich, ein barrierefreies Haus zu planen und bauen zu lassen.

Im Mittelpunkt des Lebens von Wolfgang Schattauer steht nach wie vor der Sport: "Ich lebe für den Sport“, erzählt der 52-Jährige. Das war schon vor seinem Unfall so: als Marathonläufer, Radrennfahrer und Triathlet. Schattauer liebt die Bewegung in frischer Luft bei - fast - jedem Wetter und das Gefühl, sich an die körperlichen Grenzen heranzutasten, wieder schnell zu regenerieren, dadurch zu wissen, wie der Körper auf Belastung und Entlastung reagiert. Das war vor dem Unfall so und ist nun mit Querschnittlähmung im Prinzip nicht anders.

"Ich interessiere mich dafür, wie ich das Training steuern kann, damit ich zu einem bestimmten Zeitpunkt in Hochform bin. Diese Erfahrungen muss jeder für sich machen, die kann man nicht kaufen, dazu ist viel Fingerspitzengefühl notwendig“, beschreibt Schattauer seine Trainingsphilosophie. Die Fitness, die er sich dadurch behält, ist auch im Alltag wichtig: Sie hilft ihm, die Anstrengungen im Rollstuhl besser zu meistern und ein selbstbestimmtes Leben zu führen.

Der Erfolg dieser Anstrengungen kann sich sehen lassen: Seit dem Jahr 2002 hat er an 225 Bewerben im Handbike teilgenommen - und davon 112 gewonnen. Schattauer ist damit der erfolgreichste Handbikesportler Österreichs: Zuletzt hat er bei den Paralympics in London zwei Bronzemedaillen im Einzelzeitfahren und Straßenrennen errungen, vor vier Jahren in Peking sogar die Goldmedaille im Einzelzeitfahren. Er war seit 2006 fünfmal UCI Paracycling Weltmeister und hat neben zahlreichen Stadtmarathons auch den European Handbike Circuit (EHC) von 2007 bis 2012 sechsmal in Folge gewonnen. Bis 2010 führte er die Weltrangliste an, nach London ist er dort auf Rang 3 platziert.

"Solche Erfolge bedeuten mir sehr viel“, sagt der leidenschaftliche Sportler. "Das ist eine Bestätigung für meinen Trainingsaufwand.“ Besonders stolz ist er darauf, dass er trotz seiner 52 Jahre mit der meist weitaus jüngeren Konkurrenz mithalten kann. Und ein Ende ist noch lang nicht abzusehen. Sein Traum ist es, einmal den Winter im Süden zu verbringen, dort richtig "Gas geben“ zu können, um "dann zu schauen, was noch geht“. Vielleicht klappt das ja dann in der Pension?

18.000 Kilometer pro Jahr

Bis dahin wird Wolfgang Schattauer weiterhin mehrmal pro Woche vor seinem Arbeitsantritt 30 bis 100 Kilometer durch den Wienerwald oder über die Donauinsel flitzen. 18.000 Kilometer bewältigt er alljährlich. Und wenn es das Wetter nicht zulässt, geht er auf die "Rolle“ im Keller. Für dieses tägliche Training - und seine Teilnahme an den zahlreichen Wettkämpfen - benötigt er freilich ein gut funktionierendes Netzwerk bestehend aus seiner Frau, der Familie und Freunden. "Für dieses Unterstützen und Begleiten“, sagt der drahtige Mann in seinem schwarzen Dress, "bin ich unendlich dankbar.“

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung