"Ich sehe weit und breit KEINE GRÄBEN"

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Der niederösterreichische Landeshauptmann Erwin Pröll über die Befindlichkeit der Republik nach der Hofburg-Wahl und seine Erwartungen nach dem Kanzlerwechsel. | Das Gespräch führte Rudolf Mitlöhner

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Der niederösterreichische Landeshauptmann Erwin Pröll über die Befindlichkeit der Republik nach der Hofburg-Wahl und seine Erwartungen nach dem Kanzlerwechsel. | Das Gespräch führte Rudolf Mitlöhner

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Keinen "Neustart", sondern einfach arbeiten, mehr Handschlag statt Paukenschlag - mit Blick auf Lösungen: das fordert Erwin Pröll von der Bundesregierung. Gegen Steuerhoheit für die Länder hat er nichts, gegen "dümmliche" Föderalismusdebatten schon.

DIE FURCHE: Herr Landeshauptmann, viel war in den letzten Wochen von Polarisierung, einem gespaltenen Land und dergleichen mehr die Rede bzw. von Gräben, die es nun wieder zuzuschütten gelte. Wie sehen Sie das -hat die Bundespräsidentenwahl das Land verändert?

Erwin Pröll: Eine Wahl, noch dazu zugespitzt auf ein Duell, sammelt natürlich die verschiedenen Lager, Pro und Contra. Von einer Spaltung des Landes sehe ich weit und breit nichts. Ich sehe keine Gräben, aber vielleicht ein steigendes Bewusstsein dafür, welche Verantwortung man mit seiner Stimme übernimmt. Was werden sich heute wohl jene Wählerinnen und Wähler denken, die dem Team Stronach Vertrauen geschenkt haben, dessen Klubs im Nationalrat und Landtag aus Steuergeld finanziert werden und deren oberster Schirmherr sich dieser Tage gerade offiziell aus der Politik verabschiedet hat. Also, der alte Grundsatz "Trau, schau, wem!" wird vielleicht vor Wahlen wieder mehr beachtet werden. In Anbetracht der schwierigen Zeiten, in denen wir leben, kann das nur gut sein.

DIE FURCHE: Wie beurteilen Sie die Chancen für den nun -beileibe nicht zum ersten Mal - versprochenen "Neustart" der Bundesregierung? Was erwarten Sie sich von einem "New Deal" für Österreich?

Pröll: Es braucht keinen Neustart, sondern einfach nur einen Start der Zusammenarbeit in allen Materien, die einer Lösung harren. Öfters Handschlag statt Paukenschlag einzelner plus Lösungen. Mehr wird nicht erwartet, denn jeder sieht ein, dass es nicht in allen Fragen Patentrezepte gibt. Ich kann nur hoffen, dass nicht nur gesagt wird, man habe das Wahlergebnis verstanden, sondern, dass man es tatsächlich verstanden hat.

DIE FURCHE: Ist die ÖVP neben der SPÖ mit dem neuen Kanzler nicht in einer Zwickmühle? Besteht sie auf ihren Forderungen, gilt sie als Spielverderber -unterstützt sie den Koalitionspartner, wird man ihr mangelndes Profil vorwerfen

Pröll: Es geht schlicht und einfach um die Entscheidung, was ist zu tun, um die Republik Österreich zu fördern, und was, um die ÖVP in ihren gesellschaftspolitischen Inhalten zu positionieren. Derzeit ergeht sich die Koalition in gegenseitigen Forderungen. Der umgekehrte Weg, zuerst die Lösung und dann die Beschreibung der Partei-Konturen, wäre eine Möglichkeit, der ewigen Falle "Streit" in der Regierung auszuweichen. Wir leben in einer hochentwickelten sozialstaatlichen Gesellschaft, wobei die Leistungsträger zu kurz kommen. Dieser Kurs wird aber nicht mehr gewählt, weil die Bevölkerung viel klüger ist und weiß: "Von nichts kommt nichts".

DIE FURCHE: Sind Sie rückblickend froh, dass Sie nicht für die Hofburg kandidiert haben - oder haben Sie sich angesichts der für Ihre Partei nicht sehr erfreulich verlaufenen Wahl gedacht 'Ich hätte es doch machen sollen '?

Pröll: Diese Frage ist für mich seit dem Vorjahr erledigt, ich tue das, wofür ich einen überwältigenden Wählerauftrag habe: die Chancen Niederösterreichs zu wahren und zu verbessern. Das ist ein ordentliches Stück Arbeit.

Die Furche: Keine Reformdiskussion in Österreich ohne das Thema Föderalismus: Was hielten Sie von einer Aufwertung der Länder mit mehr Steuerhoheit und dadurch auch Steuerwettbewerb, wie etwa in der Schweiz? Damit wäre der Vorwurf vom Tisch, die Länder gäben das Geld aus, welches der Bund einnimmt und verteilt.

Pröll: Ich habe mich immer zu einer Steuerhoheit der Länder bekannt, weiß aber, dass es dazu Gegenmeinungen und Ängste gibt und daher der Weg dahin ein längerer sein wird. Die wirklich dümmliche Debatte, die Länder geben das aus, was der Bund mühsam einnimmt, beschäftigt mich nicht. Die Länder bekommen Geld für Leistungen, die sie für den Bund erledigen und investieren nach regionalpolitischen Bedürfnissen der Menschen. Schauen sie sich die Entwicklung Niederösterreichs in den letzten 25 Jahren an: in der Verkehrsinfrastruktur, in der Entwicklung von Wissenschafts- und Kultureinrichtungen. Auch die Betriebsansiedlungen sprechen Bände. Ein neues Bild sehen Sie da, das nachhaltige Vorteile auch für den Bund bringt. Aus dieser Dynamik kommen nämlich seine Steuereinnahmen.

Die Furche: Sie haben Johanna Mikl-Leitner nach Niederösterreich zurückgeholt und zu Ihrer Stellvertreterin erkoren - womit sie auch als Ihre Nachfolgerin gilt. Bevor Sie den "Hof" übergeben: Was haben Sie sich für Niederösterreich noch vorgenommen, wo wollen Sie noch Akzente setzen?

Pröll: Es war Johanna Mikl-Leitner versprochen, dass sie nach drei Jahren Innenministerium wieder nach Niederösterreich zurückkehren kann. Aufgrund der prekären Flüchtlingssituation sind es fünf Jahre geworden, bis dieses Versprechen eingelöst werden konnte. Dafür hat Niederösterreich Wolfgang Sobotka entsandt, der in den ersten Wochen sein Können bereits bewiesen hat. Ich werde mich mit meinem Team besonders dafür einsetzen, dass unser Niederösterreich mit Rekordbeschäftigung auch bei der Arbeitslosigkeit gegensteuern kann. Wir haben klare Ziele, die wir umsetzen. 2018 ist dann der Wähler am Wort.

(Das Interview wurde schriftlich geführt.)

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