Idealisierte Männerphantasien

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"Liebe in dunkeln Zeiten" von Joshua Sobol: ein missglücktes Stück im Wiener Theater in der Drachengasse uraufgeführt.

Für die Uraufführung seines neuesten Stückes "Liebe in dunklen Zeiten" ist der 65jährige israelische Dramatiker Joshua Sobol eigens nach Wien gekommen. Das Theater in der Drachengasse hat das Zwei-Personen-Stück übernommen, einen so genannten Zieher, wie das prominent besetzte Premierenpublikum bestätigte. Den neuen Sobol muss man sich ansehen. Muss man wirklich?

Das Programmheft beginnt mit einer dreiseitigen Rechtfertigung der Annäherung zweier Frauen, die den gleichen Mann lieben. Aber so einfach ist es freilich nicht. Die Kriegsberichterstatterin Petra besucht die alternde Jüdin Anda in Tel Aviv unter dem Vorwand, sie über ihr Leben als Jüdin im Zweiten Weltkrieg interviewen zu wollen. Damals lebte Anda in Köln, heute wohnt sie in Umzugsschachteln, wieder im Aufbruch in ein neues Leben, weil sie von ihrem langjährigen Lebenspartner verlassen wurde. Und die gemeinsame Liebe? Ist Petras Vater, der sich als Wehrmachtssoldat 1943 in Köln in die junge Tänzerin Anda verliebt und sie vor der Ermordung gerettet hat.

Sobol mischt alle Katastrophen der Geschichte zusammen und legt sie in die Hände und Herzen opferbereiter Frauen: "Es ist das erste Mal, dass ich Frauen als Protagonistinnen gewählt habe. Das hängt damit zusammen, dass ich jetzt in dem Alter bin, wo es mir leichter fällt, mir vorzustellen, wie Frauen reagieren. Ich besinne mich meiner Anima." Es sind vielmehr Männerphantasien mit ihren idealisierten Vorstellungen von Frauen-Freundschaften und weiblicher Sexualität. Daneben muss gesagt werden, dass der Text aller dramaturgischen und inhaltlichen Logik entbehrt. 1943 war Anda ein ca. 20jähriges Mädchen und heute will sie um die 60 sein? Fredi, ihr ehemaliger Lebensgefährte schreibt 58 Lenze - Moment mal! Wobei man in Günter Treptows Regie in den ersten eineinhalb Stunden nicht recht weiß, wohin das Stück geht und wer was warum von wem will. Ja, die Katastrophen der Vergangenheit und ihre Folgen dürfen nicht in Vergessenheit geraten, schon gar nicht, wenn es sich hier um eine wahre Geschichte handelt, aber oft stimmt es eben, dass weniger mehr ist.

Zertrümmerte Unterleibe, zerstückelte Embryonen, vermutete Abtreibungen und erste romantisierte sexuelle Erfahrungen vor dem Hintergrund der fallenden Bomben. So einfach ist das mit Eros und Thanatos nun auch wieder nicht. Alexandra M. Timmel als Petra blickt im khakifarbenen Kriegsberichterstatterinnen-Rock (Ausstattung: Erich Sperger) allzu revoluzzermäßig in eine Geschichte der Auflehnung gegen die Eltern-Generation. Mit Christa Schwertsik als Anda lullt sie sich mit Cognac und Tee mit Rum in eine rührselige Vergangenheitsaufarbeitung. Oberflächlich, aufgesetzt, trivial. Schade.

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