Ideenfeuerwerk mit Fehlzündungen

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David Bösch versucht sich am Wiener Akademietheater an Nestroys Klassiker "Der Talisman“. Doch die bunte Mischung ergibt kein schlüssiges Ganzes.

Der Sprachzauber Nestroys wird auf den Wiener Theatern immer noch gerne versprüht. Zuletzt feierte etwa die Josefstadt mit "Der böse Geist Lumpazivagabundus“ einen Publikumshit. Beim Österreich-Schwerpunkt des Burgtheaters darf der Held des Alt-Wiener Volkstheaters natürlich ebenso wenig fehlen. Dabei zeigt sich einmal mehr, dass ein Nestroy-Stück auch von den kühnsten Regiekonzepten nicht kleinzukriegen ist, auch wenn ihm, wie in diesem Fall bei "Talisman“, ordentlich zugesetzt wird. Unter der Regie David Böschs wird am Akademietheater aus der wortgewaltigen Satire um Aufstieg und Fall des rothaarigen Vagabunden Titus eine schrille Trashkomödie, die (fast) am übertriebenen Einfallsreichtum zu Grunde geht.

Schein und Sein

Bösch verbindet traditionelle Elemente des Stegreiftheaters mit modischen und musikalischen Zitaten verschiedener Epochen, die bis in die jüngste Gegenwart hineinreichen. Die Gänsehirtin Salome (Sarah Viktoria Frick) trinkt Bier mit ein paar Halbstarken, die sich in Lederkluft frech grölend über ihre roten Haare lustig machen. Die Gärtnerin Flora (Regina Fritsch) trägt rosa Gummistiefel und trinkt gern italienischen Espresso mit N, die gepuderten Perücken der Frau von Cypressenburg und ihrer Tochter Emma (Kirsten Dene und Liliane Amuat) passen hervorragend zu deren bunten Nylonstrümpfen, ihre Kammerfrau Constantia ist eine strenge Domina (Maria Happel in einer tollkühnen Latexmontur), und auf der Bühne harmonieren die Biedermeiermöbel ausgezeichnet mit den Lautsprecherboxen und sonstigem technischen Schnickschnack. Dabei braucht es für Nestroys Protagonisten Titus Feuerfuchs (Johannes Krisch) zum großen Glück nur einen einzigen kleinen Talisman. Einen solchen Glücksbringer schenkt ihm der Zufall in Form einer schwarzen Perücke. Mit der neugewonnenen Haarpracht kann er dem Schicksal als Außenseiter für kurze Zeit ein Schnippchen schlagen. Zuerst wird die Gärtnerswitwe um den Finger gewickelt, danach die Kammerfrau und schließlich die überspannte Frau von Cypressenburg. Und weil Kleider Leute machen, schlüpft Titus mit jeder neuen Eroberung von Kleiderschrank zu Kleiderschrank, um sich in die Gewänder der verblichenen Ehemänner zu zwängen. Immer höher klettert er die Karriereleiter hoch, doch eine Perücke ist eine falsche Behauptung, das wusste auch Nes-troy, und so endet der Aufstieg im raschen Fall, aus dem ihm nur der Onkel aus der Stadt wieder heraushelfen kann. Zum Schluss erkennt der gebeutelte Held, dass man die Launen des Schicksals und des Glücks nur richtig zu nehmen wissen muss. Die Bühne ist voll von charmanten Ideen und Requisiten (von Blumen auf beweglichen Drähten bis zu Papierschäfchen auf der Wäscheleine ist alles dabei), jede Szene ist mit beschwingter Live-Musik untermalt, jeder humorige Moment auch körperlich aufs Feinste von den Schauspielern ausagiert. Krisch gibt den fröhlich unbeschwerten Kasperl, seine Stripteaseeinlagen strahlen dabei so schön, wie seine langen Unterhosen. Frick weiß da die Bandbreite zwischen traurigen und humorvollen Szenen besser auszuloten, und bei der Dene reicht sowieso eine einzige Geste, um das Publikum zu betören.

Fehlende Zwischentöne

Doch die ganze bunte Mischung aus Trash und Tradition will einfach nicht zusammenpassen. Damit stellt Bösch nur das vordergründig Komische des Stücks heraus, für die bitteren Zwischentöne bleibt da kein Platz mehr. Nach der Pause wird zu allem Überfluss noch ein echtes Kettensägenmassaker geboten, und auch sonst fehlt es dem zweiten Teil ebenfalls nicht an überdrehten Momenten. Die im Programmheft abgedruckte Warnung von Karl Kraus, Nestroy nicht als Lustigmacher misszuverstehen, bleibt im Regieeifer leider ungehört.

Für einen Teil des Premierenpublikums ist Bösch fast so etwas wie ein Nestroy-Beschmutzer, derart vehemente Buhrufe gab es schon lange nicht mehr zu hören. So gesehen also doch eine gelungene Theaterposse.

Weitere Termine

9., 11., 13., 21. März

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