Im Anfang sind die Stoffe

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Alle seine Modeschauen würden aufgezeichnet, bestätigt Dries Van Noten. Anschauen wolle er sie sich aber nicht. Er würde nur Fehler erkennen und Dinge, die es zu ändern gäbe. Ob es Überredungskunst brauchte, ob die Verweigerung relativ oder nur leicht kokette Ansage war, lässt das dokumentarische Porträt "Dries" offen. Dort hat man den belgischen Designer nämlich vor den Monitor gesetzt, damit er seine Laufbahn im direkten Rückblick auf frühere Fashion-Shows kommentiert.

Den Durchbruch mit der 94er-Kollektion, als Stars wie Madonna seinen Entwürfen eine breite Öffentlichkeit verschafften. Die Ohrfeige, die er sich 2001 holte, und die Lehren daraus. Als Kommunikation von sechs Monaten Arbeit, wie es Van Noten umschreibt, ist die Show wiederkehrendes Element des Films.

Ein Jahr, vier Kollektionsvorstellungen lang begleitete Reiner Holzemer den Modeschöpfer, der neben Dirk Bikkembergs oder Ann Demeulemeester Teil der Antwerp Six war, Absolventen der dortigen Kunstakademie, die in den 1980ern Belgiens Image als verschlafene Modeprovinz durchbrachen. Den Weg ebneten sie auch für Jüngere wie Raf Simons, derzeit Chefkreativer bei Calvin Klein. Über dessen Zeit bei Dior entstand unlängst eine Doku, mit der sich "Dries" unweigerlich messen muss. Die große Dimension von "Dior und ich", wo sich die Stimmen der Gegenwart und der Geist der Vergangenheit vereinen, peilt Holzemer nicht an. Ebenso wenig will er die Szene aufmarschieren lassen.

Stoffe, Stoffe, Stoffe

"Leute wie Dries sind ausgestorben", urteilt eine der wenigen Interviewten, die Modelegende Iris Apfel, und meint damit angesichts von Luxuskonzernen wie LVMH, die jenseits der 70 Marken unter ihrem Dach vereinen, den unabhängigen Labelbesitzer, den freien Künstler in der Modebranche. Leise kommt die Sprache auch immer wieder auf den unternehmerischen Erfolgszwang zurück, wenngleich härtere Fragen, die sich anbieten würden, ausgespart bleiben -etwa das Lohnniveau der indischen Arbeitskräfte, um deren Auftragslage man sich ebenso demonstrativ sorgt wie um die Qualität ihrer Stoffe. Wobei Letztere den Punkt bilden, zu dem der Film immer zurückkehren kann.

Stoffe, Stoffe, Stoffe. Bedruckt, um eine Marilyn-Monroe-beeinflusste Linie zu entwickeln, bestickt, aneinander probiert, um in Richtung einer flamboyanten - aber ja nicht exzentrischen -Kollektion zu arbeiten. Und um die Muster auch daheim zu einem eklektischen Gleichgewicht des Kontrasts zu führen.

Ungewöhnlich unaufgeregt ist "Dries", während er all diese Elemente zusammenführt, um die kleinen und großen Zyklen zu zeigen, in denen ein Gegenwartskünstler lebt, arbeitet, sich erholt. Und sich überm Kochen daheim wundert, was für ein Film da gedreht wird.

Dries D/B 2017. Regie: Reiner Holzemer. Filmladen. 93 Min.

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