Im dramatischen Nirwana

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"Das purpurne Muttermal" von René Pollesch am Wiener Akademietheater: Eine amüsante Parodie von selbstverliebtem Theoriegeschwurbel.

Abgehobene Diskurse werden durch den Fleischwolf des Boulevardtheaters zu hinterfragbaren Platitüden vermanscht: René Pollesch hat mit Das purpurne Muttermal im Wiener Akademietheater, möglicherweise unbeabsichtigt, ein köstliches Lustspiel über hochmütiges Theoriegeschwurbel geschaffen. Im Mantel einer Feydeau-Komödie hat der Vielschreiber Pollesch, der wie immer auch Regie führt, mit seinen Schauspielern ein atemloses Zitaten-Stakkato in Szene gesetzt, in dem mit Begriffen wie "soziales Konstrukt" oder "Kontingenz" nur so um sich geworfen wird. Der Philosoph Giorgio Agamben oder die feministische Biologin Donna Haraway kommen im Text zu Wort, Spielfilme (Max, Mon Amour, Sein oder nicht Sein, Sunset Boulevard, Die Herbstsonate, Der Exorzist) werden zitiert - man müsste allerdings beinahe allwissend sein, um jede Anspielung zuordnen zu können.

Eine nacherzählbare Handlung gibt es nicht in dieser Uraufführung, auch nicht Rollen im herkömmlichen Sinn. Die Schauspieler agieren im dramatischen Nirwana - aber das durchaus grandios: Sophie Rois ("Hans Moser") als herrlich exaltierte Diva, Martin Wuttke ("Josef Tura") als eitles Würstchen, Caroline Peters ("Eve Harrington") als theoriegeschulte Bedenkenträgerin. Dass in den "Rollen" reale auf fiktive Mimen treffen, ist symptomatisch für den ständigen, schwindlig machenden Wechsel zwischen unterschiedlichen Realitätsebenen. Hinter der Bühne ist ein Filmset aufgebaut, von wo Bilder auf eine Videowand vorne über dem Kamin des bürgerlichen Salons übertragen werden. Was ist nun gerade Aufführung, was Film, was die Realität der Schauspieler? Geschenkt ... Hier persifliert sich überhitzte Theater-und Literaturwissenschaft selbst, freiwillig oder unfreiwillig, jedenfalls amüsant. Am Ende war das Premierenpublikum vom Spiel mit den Ebenen so verwirrt, dass es nicht zu klatschen wagte, selbst als die sieben Schauspieler schon Hand in Hand an die Rampe traten. Schließlich aber belohnte es die Verarschung mit Jubel.

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